Untere Mühlstr. ("Zehntscheune")
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Die Unterlagen zur Zehntscheune wurden uns von Harald Baumann, Leiter Tiefbauamt Stadt Hockenheim, zur Verfügung gestellt mit freundlicher Erlaubnis von Herr Stulken, Leiter Stadtbauamt Stadt Hockenheim. Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung von Zeichnungen, Fotos und Texten zur Geschichte der Zehntscheune, dem Aufmaß der Zehntscheune und die Dokumentation des Abtrages und der Lagerung der Einzelteile der Scheune.
Zehntscheune Hockenheim
Allgemeine Betrachtung
Nach den großen im letzten Krieg entstandenen Bauwerksverlusten in Deutschland entstand in der Folgezeit eine Sanierungswelle, bei der das alte "Hinterhofmilieu" durch ein "Leben in Luft und Sonne" im Mittelpunkt der städtebaulichen Handlungen stand.
Heute müssen wir uns eingestehen, dass diese Art von städtebaulichen Grundsätzen letztendlich in die Sackgasse der Unwirtlichkeit unserer Trabantenstädte und Flächensiedlungen geführt hat. Keinen Gefallen taten sich dabei Städte und Gemeinden, die der wirtschaftlichen Dynamik der Nachkriegszeit ihren freien Lauf ließen und die verspielten Ortskerne mit ihren verwinkelten Gässchen und schnuckeligen Gebäuden sowie den gediegenen Fachwerkhäusern durch eine Brutalität im Betonbau ersetzten. Hochhäuser, Kaufhäuser im Stil eines übergeordneten Funktionalismus sowie Verkehrsbauten und Straßenschneisen zerstörten nun die alten gewachsenen Strukturen. Erst als schon vieles von einst vernichtet war, besann man sich auf ein behutsameres Vorgehen und älteren Bauwerken wurde wieder eine Daseinsberechtigung zugestanden.
Die Bedeutung der Zehntscheune für Hockenheim
Nicht anders war es auch in Hockenheim und umso wichtiger ist es heute, dafür zu sorgen, einer baulichen Verödung seines historischen Stadtkernes entgegen zu wirken. Hierzu gehört vor allem die historische Zehntscheune deren Erhalt am ursprünglichen Standort sich leider aus verschiedenen Gründen nicht erfüllt hatte. Wenngleich dies aus denkmalspflegerischer Sicht die beste Lösung gewesen wäre, so kann aber gerade mit der Zehntscheune in Form eines möglichst originalgetreuen Wiederaufbaues mit seinem wuchtigen Baukörper und seinen markanten, als Krüppelwalmdach ausgebildeten Doppeldachstühlen sowie mit den beiden Fachwerkgiebeln eine Aufwertung des innerstädtischen Bereiches von Hockenheim an dem dafür vorgesehenen Standort hinter der Festhalle bewirkt werden. Selbst wenn dafür einige unattraktive Gebäude entfernt werden müssen, wird die Zehntscheune als Neubau mit seiner Sandsteinfassade aus Originalsteinen in das alte Innenstadtbild bestens passen und diese damit bereichern.
Neubau - historischer Nachbau
Der Wiederaufbau zerstörter oder abgetragener Bauwerke an Ort und Stelle bzw. mit Standortwechsel ist nichts Neues und viele Beispiele ließen sich dafür benennen. Sogar in Rothenburg ob der Tauber ist ein Viertel seiner Gebäude im Krieg zerstört worden. Nach erfolgtem Wiederaufbau würde heute kein Besucher an der Vollständigkeit des mittelalterlichen Stadtbildes zweifeln. In diesem Falle ist das äußere Erscheinungsbild wichtig und kaum jemand hinterfragt, ob es sich um ein tatsächliches Kulturdenkmal im denkmalschützerischem Sinne oder um einen gelungenen Nachbau handelt.
Dies entbindet aber keiner gewissenhaften dokumentarischen Arbeit, die auch für einen Nachbau unerlässlich ist und der als ein Neubau möglichst viele abgetragene Bauteile in sich vereinen sollte. In zwei Hallen in Hockenheim liegen die wiederverwendbaren Bauteile bereit. Dabei handelt es sich um Fenstergewände, Sandsteine, historische Mauerziegel, Fachwerkgebälk des südlichen Giebels, sämtliche Traghölzer des nördlichen und südlichen Dachstuhles, Dielenbretter und verschiedenes mehr (Bild 23). Diese Bauteile sollen in dem neuen Baukörper wieder zum Leben erweckt werden.
Die Zehntscheune in Hockenheim kann als ein Kulturgut allerdings nur so gut sein, wie das Wissen, das über sie besteht. Aus diesem Grunde müssen möglichst viele Daten zum Gebäude gesammelt werden, um eine möglichst gründliche Kenntnis über das Objekt zu haben. Es bedarf folglich mehr als nur eine schöne Gebäudefassade im historischen Stil aufzubauen, da im bauforscherischen Sinne umfangreiche Untersuchungen anzustellen sind. Die Zehntscheune ist daher auch nicht abgerissen, sondern abgetragen worden. Während dieser Abtragungsarbeiten wurde versucht ein wenig Bauforschung bzw. Bauarchäologie zu betreiben. Neben fotografischer und zeichnerischer Befunddokumentation war es wichtig auch etwas über die damalige Bauweise und Bauabschnitte zu erfahren.
Wichtiges Instrumentarium war bei diesen Ermittlungen die Videokamera, mit der alle Bestandteile und Abtragungsphasen festgehalten wurden. Die Videodokumentation ergab einen Film mit einer Dauer von insgesamt 8 Stunden. Im Film sind die festgestellten Qualitäten der Bauausführung und Gebäudeausstattung sichtbar dargestellt, ebenso wie die unterschiedlichen Zustände der Bausubstanz.
Früher wurden nicht mehr benötigte Bauwerke abgetragen und das dabei gewonnene Material bei Neubauten wieder verwendet. Mauersteine aufgelassener Burganlagen oder Bauwerkruinen fanden in den Nachfolgebauwerken einen neuen Einsatzort. In neuerer Zeit verfrachtete man alle Abbruchmassen einfach zu Ablagerungsstätten, wo sie unaufbereitet abgelagert wurden. Zunehmendes Umweltbewusstsein verlangte eine Auftrennung und Neunutzung von Abbruchmaterialien, wobei mineralische Stoffe zumeist als gebrochene Schüttgüter und bei hölzernen Bauteilen eine energetische Nutzung im Vordergrund steht. Da Architekten bedauerlicher Weise nur im ganz geringen Umfang altbrauchbare Bauteile innerhalb von neuen Baumaßnahmen einsetzen und den Wert dieser Güter oftmals unterschätzen, geht vieles von einst verloren.
Nur wenig Altbrauchbares wird daher für eine Wiederverwendung ausgebaut und aufgehoben. Folglich fällt manches Brauchbare der Vernichtung anheim, obwohl in einigen Neubauten diese Bauteile eine unverwechselbare, eigene Ausstrahlung darstellen würden und den historischen Rückblick verstärken. Leider handelt es sich bei altbrauchbaren Bauteilen für nicht wenige Bauschaffende nur um schäbiges Material und bezeichnen den Handel mit diesen Materialien ungerechter Weise als Leichenfledderei. Erfreulich ist, dass in den letzten Jahren auch hier ein Umdenken stattgefunden hat, insbesondere im Bereich der Landschafts- und Gartengestaltung. Alte Gewandsteine, Eichenbalken, eiserne Geländer, Hausteine aller Art usw. werden nunmehr gekonnt weiter verwendet.
Nach ihren Bauweisen lassen sich Neubauten und altbrauchbare Bauteile folgendermaßen einteilen:
- Neubauten mit neuen Baustoffen und Bauteilen
- Neubauten mit altbrauchbaren Baustoffen und Bauteilen
- Neubauten als historischer Nachbau mit neuen Baustoffen und Bauteilen
- Neubauten als historischer Nachbau mit neuen und altbrauchbaren Baustoffen und Bauteilen.
Baubeschreibung
Die Zehntscheune gliederte sich vor den Abtragungsarbeiten in einen südlichen und in einen nördlichen Gebäudeteil auf, die durch eine Zwischenwand voneinander getrennt waren.
Der nördliche Gebäudeteil hatte einen werkstattähnlichen Charakter, wobei der nordöstlich gelegene, abgetrennte und nur von außen zugängliche Teilbereich das Aussehen eines Aufenthaltraumes für Jugendliche besaß. Die Werkstatt war mit einer Schmiede ausgestattet. An der Außenseite der Nordwand, westlich des Tores, war dafür nachträglich ein Schornstein aus reichsformatigen Backsteinen errichtet worden. Im südlichen Gebäudeteil war entlang der gesamten Südwand ein Schwimmbad eingerichtet und vor der Zwischenwand waren verschiedene zum Schwimmbad gehörende Räumlichkeiten untergebracht, wie Umkleideraum, WC, Sauna usw. Im Anschluss zur Schwimmhalle war an der Westwand noch innerhalb des nördlichen Gebäudeteiles ein Fitnessraum eingerichtet. Um eine direkte Zugänglichkeit zwischen Schwimmbad und Fitnessraum zu erreichen, wurde eine Türöffnung in die Zwischenwand gebrochen. Die Westwand war im Schwimmbadbereich zum Garten hin aufgebrochen und mit einem Fenster-Tür-Schiebeelement versehen.
Mit dem Einbau des Schwimmbades im südlichen Gebäudeteil musste der gesamte Raum stützenfrei werden. Deshalb hat man zur Abfangung der Auflasten zwei Stahlträger (IPB 400) unter den beiden Auffangbalken in den Drittelpunkten eingebaut und auf der Süd- und Zwischenwand aufgelagert. Eindrucksvoll ist die Ausführung der beiden Abfangbalken mit einem Querschnitt von beinahe 30/30 cm und einer ununterbrochenen Balkenlänge, die vom Auflager der Westwand bis zum Auflager der Ostwand reicht. Die Lage der Balken war ebenfalls in den Drittelbereichen des Raumes.
An der Ostwand wurde in dem südlichen Gebäudeteil in neuerer Zeit ein überdachter Aufgang erstellt, damit hatte man einen direkten Zugang vom Außenbereich in das Schwimmbad ermöglicht. Unter dem Boden dieses Zugangsbereiches waren zur Beheizung des Schwimmbades Heizöltanks eingerichtet. Dachstühle
Wie erwähnt bestand die Zehntscheune aus zwei Gebäudeteilen, die jeweils mit einem Dachstuhl versehen waren. Hinzu kommt ein Verbindungsbereich zwischen den Dachstühlen, welches man als Zwischenstück bezeichnen kann.
Unter der Betrachtung des nördlichen Gebäudeteiles als Fronterweiterung an dem südlichen Gebäudeteil lässt sich bei der vorhandenen Dachkonstruktion ein Pfettendach mit Krüppelwalm und eine Hauptdachwiederkehr (Doppeldachstuhl) erkennen. Die teilweise abgestrebten Pfettendächer wurden als zweifach liegende Stühle (Zeitpunkt der Gebäudeabtragung) ausgebildet. Wuchtig ausgeprägt waren die liegenden Pfosten (liegende Stuhlsäulen). Im oberen Pfostenbereich wurde ein Spannriegel mit Zapfen und Versätzen in die Stuhlsäulen eingelassen. Die oberen Pfostenenden waren so angelegt, dass diese den Pfetten als Auflager dienten und diese noch an den Innenseiten umfassen konnten. Die Pfetten stellten das Auflager für die Kehlbalkenlage dar. Über Streben, Kopfbänder und einem durchgängigen Windverband (Andreaskreuze) wurde die Dachkonstruktion verschiebesicher gehalten. Die Kehlbalken waren nicht mit den Sparren verbunden. Zur Aufsattlung der Sparren war über den äußeren Kehlbalkenenden eine weitere Pfette verlegt.
Die östlich gelegenen Giebel sind als Fachwerk ausgebildet gewesen. Der südlich gelegene Giebel bestand aus Eichenholz, der Nördliche aus Nadelholz. An der Krüppelwalmtraufe (Spitzboden) endete das Fachwerk in der Höhe. Die Fachwerkständer wurden durch eine römische Verbandholznummerierung gekennzeichnet.
Ortgänge und Traufen (ohne Aufschiebling) wiesen einen kleinen Überstand aus, dessen vorderer und unterer Abschluss (Unterschlag) aus einer einfachen Brettschalung bestand.
Es waren in den Dachflächen einige gusseiserne Dachfenster vorhanden, die nach Art der alten sächsischen Dachfenster ausgebildet waren.
Der nördliche Dachstuhl, einschließlich der westlich gelegenen Dachfläche des Zwischenteiles war mit Wellasbest- oder Wellfaserzementplatten gedeckt (Berliner Welle). Der südliche Dachstuhl und die östliche Dachfläche des Zwischenteiles sind dagegen mit Tonziegeln, teilweise sogar noch mit handgeformten Biberschwanzziegeln eingedeckt gewesen. Ein Lattenverschlag trennte in der unteren Dachgeschossebene dem nördlichen Dachstuhl vom südlichen Dachstuhl, einschließlich Zwischenteil. Decken
Die Decken in den beiden Dachstühlen waren aus den Kehlbalkenlagen, welche den Dachausbau in eine untere und obere Dachgeschossebene, sowie in einen Spitzboden unterteilten. Der Boden der unteren Dachgeschossebene bestand aus Holzbalken (Nadelholz). Unter den Anfallspunkten (Anfallsgebinde) des Krüppelwalmes und in entsprechenden Abständen wurde die Dachlast auf Dachbinderbalken abgetragen, deren Querschnitt stärker ausgebildet war als bei den übrigen Leerbalken (Zwischenbalken). Im südlichen Gebäudeteil gab es keine weiteren Decken. Allerdings wurde eine Zwischendecke (abgehängte Decke) über dem Schwimmbad eingezogen, deren Lastabtragung auf den umschließenden Wänden und den beiden Stahlträgern erfolgte.
Der nördliche Gebäudeteil hatte unter der Decke noch ein teilweise auf Pfosten ruhendes Zwischengeschoss aus zwei Holzbalkendeckenfelder (Nadelholz), die galerieartig entlang der Ost- bzw. Westwand angeordnet waren (Empore), so dass in der Mitte ein freier Raum entstand.
Sämtliche Decken waren mit Dielenbrettern belegt. Fassaden und Wände
Im Gegensatz zu den aus Bruchsteinmauerwerk bestehenden Wänden war die ganze östliche Außenwand des nördlichen Gebäudeteiles aus Mauerziegel bzw. Backsteinen anstelle der Buntsandsteine errichtet. In dieser Backsteinwand wies das Mauerwerk eine Trennfuge auf.
Mauerziegel, die damals noch keine nationale Normung aufwiesen, wurden auch in beiden Gebäudeteilen zur Ausmauerung der Fachwerkgefache (Bild 1) und als Entlastungsbögen über den Sturzgewänden (Bild 2) verwendet.
In den Fassadenflächen waren im Natursteinmauerwerk über den Sturzgewänden der Fensteröffnungen Entlastungsbögen aus Mauerziegel im Steinformat Länge/Breite/Höhe = 26 cm/13 cm/6 cm eingebaut.
Die Steinformate der Fachwerkgiebel bestanden aus ( Angabe in cm ):
Südlicher Fachwerkgiebel, unteres Dachgeschoss:
Länge / Breite / Höhe = 25-25,5 / 10-12 / 5 und 24-24,5 / 11-11,5 / 4
Südlicher Fachwerkgiebel, oberes Dachgeschoss:
24,5-27 / 7,5-9 / 5,5-6 und 24-24,5 / 11-11,5 / 4
Nördlicher Fachwerkgiebel, unteres Dachgeschoss:
25-26 / 9-9,5 / 6,5-7 und 26-27 / 12-14 / 5,5
Nördlicher Fachwerkgiebel, oberes Dachgeschoss:
25-26 / 9-9,5 / 6,5-7
Die einfach ausgebildete Fachwerkkonstruktion bestand aus Ständer (Pfosten, Wandsäulen) Streben, Riegel, Rähm, Grund- und Saumschwelle. Das Gebälk des nördlich gelegenen Fachwerkgiebels war aus Nadelholz und der südliche Giebel aus Eichenholz gefertigt.
Fachwerkgefache und Mauerwerk der Ostwand waren mit einem Spritzbewurf verputzt (Bild 1). Die Oberfläche der Nord- und Westwand bestanden aus verfugten Natursteinen, ausgebildet als Bruchsteinmauerwerk aus Buntsandsteinen (Bild 2).
Zur Verbindung der Frontmauern mit den Balkenlagen der Holzbalkendecken sind schmiedeeiserne Kopf- oder Balkenanker eingebaut worden. Diese Kopfanker besitzen eine Öse, am Ende einer Ankerschiene (Ankerriegel, Flacheisen), in welche rechtwinklig zur Schiene ein Ankersplint eingelassen wird. Die Ankersplinte waren an der Fassadenoberfläche sichtbar angeordnet, besaßen allerdings keine Verzierung (Zieranker). Da alle Holzbalkendecken mit dem Mauerwerk durch Kopfanker versehen wurden, verlieh dies der unverputzten Fassade ein besonderes Aussehen.
Das ursprünglich, sehr wahrscheinlich in Bogenkonstruktion hergestellte Tor der Nordwand wurde baulich verändert und zumindest nach oben vergrößert. Die Aufbruchfläche war durch einen Segmentbogen (Flachbogen, Stichbogen) aus Beton gesichert.
Die Fassadenflächen waren durch kleinformatige Fenster gekennzeichnet, wobei die Giebelfenster der Westwand als Doppelfenster ausgebildet wurden. Gegenüber den oben liegenden Fenstern hatten die Erdgeschossfenster eine größere Höhe. In der Ostwand des nördlichen Gebäudeteiles gab es im Bereich des Bruchsteinmauerwerkes keine Fenster. Dagegen waren in den Fachwerkgiebeln kleine Fenster entsprechend der Gefachegröße vorhanden. Die Gewändsteine hatten zwar eine Ladenspundausbildung, wiesen aber keinen Fensterspund auf, das heißt die Fensterrahmen waren unmittelbar auf die dem Gebäude zugewandten Gewändsteinflächen angeschlagen. An einigen Fenstern ist eine ausgeprägte, schräge Ausbildung der Leibungsflächen in den Fensternischen (Geläuffe, Kleiffe) vorhanden gewesen. Die Fenstersohlbänke waren mit Wassernasen (Unterschneidungen) sowie mit Gewändaufständen versehen und hatten folglich eine Abwässerung. Ebenso war die Forderung eingehalten, dass die Höhe der Fenstersohlbank mindestens der Stärke der Gewändsteine entsprechen soll.
Soweit feststellbar waren die alten Fenster mit Ausnahme des Giebelbe-reiches aus Eichenholz gefertigt und hatten eine einfache Form der Fensterflügelaufhängung. Im EG-Bereich (Westwand) gab es nur noch ein altes Fenster mit aufwendigen und schön gestalteten Beschlägen.
Maßangaben zum Gebäude oder zu den Bauwerksteilen wurden in den Beschreibungen zur Zehntscheune nicht mit aufgenommen, da diese aus Zeichnungen der Bauwerksdokumentation zu entnehmen sind (siehe Anlage).
Geschichtliches zur Zehntscheune,
dem Heimatbuch von Ernst Brauch entnommen
Zehntscheuer, das Finanzamt der Vorfahren
"Die Vielzahl der Abgaben in Form von Naturalien (Zehnte) und Geld sowie die ständige Verpflichtung zum Frondienst - oft im ungeeigneten Zeitpunkt - fanden keine Gegenliebe bei der Bevölkerung.
"Die Gerechtsame" aber, die dem Zehntherr (Decimator) am meisten eintrug, war der "Zehnte". "Er (der Bauer) muss mit seinem Vieh frohnden und von allen seinen Producten den Zehenden geben", heißt es in einem Klagebrief, "er muss von seinen Güthern die Schazung (Steuer in Geld) entrichten und sonsten viel Onera (Lasten) abführen." So verlangte es die damalige Weltordnung. Sicher hatte die Möglichkeit, die öffentlichen Lasten in Früchten abzutragen, auch ihr Gutes. War der Ertrag gering, ermäßigte sich die Abgabe.
Aber es war immer ein schwieriges Unterfangen, die Hofkammer zur überzeugen, schon deshalb schwer, weil man "des Schreibens ohnerfahren" war und der einzig Schreibkundige, der Schulmeister und Gerichtsschreiber, selber Mühe hatte, ein Schriftstück aufzusetzen.
Es gibt in Hockenheim ein Haus, richtiger ein Doppelhaus mit zwei parallelen Giebeln, das an jene Zeiten erinnert: die Zehntscheuer (jetzt das Lagerhaus des Transportunternehmens Maier am Ende der Zähringer Straße). Heute ist es zwischen Obstbäumen und Häusern versteckt. Früher stand es frei, außerhalb des Ortsetters unweit der Kraich. Aus rauen Steinen gemauert, präsentiert es sich als ein festgefügtes, gut erhaltenes, eigentlich recht stilvolles Gebäude. Noch in der badischen Zeit fuhr man hier die Feldfrüchte ein, die als Zehnte an die Landherrschaft abzuliefern waren. Als ein Staatsgesetz die Zehntpflicht abschaffte, konnten sich vom 01.01.1840 an die Bürger durch Zahlung eines Ablösungsgeldes davon freimachen. Sie wurden aber dadurch nicht völlig frei von Abgaben. Sie waren nur noch in Geld zu entrichten. Lediglich die umständliche und kostspielige Einzugsart schaffte man ab. Man brauchte jetzt dafür kein Gebäude mehr zu erstellen und zu unterhalten. Auch "Kastenvögte", Zehntknechte, Wagen, Pferde und Geschirr entfielen. Und was die Mäuse dem Staat in den Zehntscheunen nicht mehr wegfraßen oder sonst verdarb, war beachtlich.
Nach der Zehntablösung stand das Doppelhaus einige Zeit leer, bis ein Hockenheimer Bürger namens Peter Piazolo darin eine Forlendarre einrichtete. Er kaufte die von armen Leuten im Hardtwald gesammelten Kiefernzapfen auf, gewann durch Trocknen den Samen und verkaufte ihn mit Gewinn an die sieben "Waldgemeinden" rund um die Hardt und an die Forstverwaltung. Später unterhielt die erste Hockenheimer Zigarrenfabrik Piazolo & Ickrath darin ihr Tabaklager.
Die Zehntscheuer, die wohl nicht alle heutigen Hockenheimer kennen, war früher um so besser bekannt. Sie stellte die Finanzkasse unserer Vorfahren dar, die sie vermutlich ebenso wenig liebten, wie wir die unsrige."
Erkenntnisse und Fragen zur Baukonstruktion,
die sich bei den Abtragungsarbeiten ergeben haben
Die Zehntscheune ist ursprünglich nicht als ein Baukörper errichtet worden, entsprechend ihrem Aussehen im Jahre 2005. Es konnte ermittelt werden, dass zuerst der südliche Gebäudeteil erstellt und zu einem späteren Zeitpunkt der nördliche Gebäudeteil hinzugefügt wurde. (Bild 25) Der uns bekannte Doppelgiebel war also eine Folge einer Bauerweiterung. Beweis hierfür ist, dass das Mauerwerk keinerlei Einbindungen aufwies. Außerdem war im südlichen Dachstuhl neben Nadelholz auch Eichenholz verwendet worden ( z. B. in Pfosten, Streben und Kopfbändern ), dagegen wurde im nördlichen Dachstuhl überhaupt kein Eichenholz eingesetzt. Bei den Fachwerkgiebeln verhält es sich ebenso. Der nördliche Giebel war aus Nadelholz gefertigt, während der südliche aus Eichenholz bestand. Hinzu kommt, dass neben dem hauptsächlich aus Nadelholz bestehenden nördlichen Dachstuhl einige Pfosten, Kehlbalken, Streben und Kopfbänder eigenartiger Weise aus einer anderen Holzart erstellt wurden. Auf Grund vorhandener Rindenreste wird vermutet, es könnte sich um Pappelholz handeln. Hinsichtlich seiner Güte wies dieses Holz gegenüber dem Nadelholz keine Nachteile in Form von Schädlingsbefall oder Rissbildung auf. Weitere Belege für den später erfolgten Anbau sind im sogenannten Dachzwischenteil, also dem Verbindungsstück zwischen nördlichem und südlichem Dachstuhl zu finden. Dort deuten Höhenunterschiede in der Balkenlage und Verbretterungen auf den innerhalb des Gebäudes liegenden Dachschrägen darauf hin, dass das Gebäude wahrscheinlich nicht in einem Zuge erstellt wurde. Des weiteren wurden im nördlichen Teil Nägel verwendet, die unseren heutigen Drahtstiften gleichen, während im südlichen Gebäudeteil vorwiegend geschmiedete Nägel anzutreffen waren. Ebenso wiesen die Dielenböden im südlichen Teil breitere Bretter auf, die an den Kanten gefalzt waren. Mit Drahtstiften vernagelte, ungefalzte Bretter gab es dort zwar auch, diese dürften aber als Austauschbretter irgendwann einmal später eingebaut worden sein.
Beide Dachstühle sind als Pfettendächer mit Krüppelwalm anzusehen, da die Kehlbalken nicht mit den Sparren verbunden sind und eine Aufsattlung der Sparren auf einer Pfette stattfindet, die auf den Kehlbalken liegt. (Bilder 12, 13) Auffallend ist aber, dass zwei Pfettenebenen bestehen, eine unter und eine über den Kehlbalken. Interessant ist auch die Ausbildung der wuchtigen Stuhlsäulen, die die unteren Pfetten einseitig umschließen.
Vorhandene Zapfenlöcher in den die Kehlbalken unterstützenden Konstruktionshölzer, lassen vermuten, dass die Dachstühle ursprünglich als kombiniertes Pfettendach mit Krüppelwalm und Kehlbalkenlage hergestellt wurde, also mit zwei liegenden und einem stehenden Stuhl.
Nach Durchsicht einiger alter Bücher für Zimmerleute konnte keine vergleichbare Dachstuhlkonstruktion gefunden werden, wie sie bei der Zehntscheune angetroffen wurde. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass diese Bauweise, zumindest in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr zur Anwendung kam.
Vermutlich sind die Deckenbalkenlage im nördlichen Gebäudeteil einem Austausch unterzogen worden ist. (Bilder 18, 19) Vielleicht war die alte Balkenlage durch Schädlingsbefall geschwächt oder die Anforderungen an die Holzbalkendecke hat sich erhöht. Da ein Austauschen der Deckenbinderbalken unter den Pfosten sehr aufwendig ist, hat man die Binderbalken belassen und nur die Leerbalken einer Auswechslung unterzogen. Insofern weisen die Binderbalken ein anderes Aussehen auf (mehr Walm, größerer Schädlingsbefall) und sind an den Auflagern mit der Fußpfette verkämmt, was bei den Leerbalken nicht der Fall war.
Der nördliche Abschnitt der Ostwand des nördlichen Gebäudeteiles war aus einem anderen Steinformat ( Länge / Breite / Höhe = 26cm / 13cm / 6cm ) gemauert, als südlich der Trennfuge ( Länge / Breite / Höhe = 31- 32cm / 14,5cm / 6,5cm ). Warum der nördliche Teil der Ostwand entgegen den übrigen Wandteilen mit Backsteinen und nicht aus Sandsteinen ausgebildet wurde, bleibt auch eines der ungelösten Rätsel der alten Zehntscheune. Es besteht die Vermutung, dass der südliche Mauerabschnitt im Bereich von Zwischenwand und nördlichen Mauerteil nachträglich zugemauert wurde. Vielleicht wollte man ursprünglich mit den Erweiterungsmaßnahmen auch von der Ostseite her einen Zugang zur Zehntscheune. Als man diesen nicht mehr benötigte, wurde er beseitigt.
Die Ausführung der Entlastungsbögen über den Sturzgewänden lag bautechnisch zwischen Segmentbogen (auch Flach- oder Stichbogen genannt) und einem Scheitrechten Sturz, da die Stich- oder Pfeilhöhe in der Regel 5 cm betrug. Also für eine richtige Segmentbogenausbildung zu wenig und für einen Scheidrechten Sturz zu viel. Die Überspannung der innenliegenden Fensternischen erfolgt an der Ost- und Westwand als Segmentbogen im gleichen Steinformat und an der Nordwand mit Holzbalken (teilweise Eichenholz). Warum wurden nicht alle Fensternischen gleich ausgeführt? Vielleicht lag dies daran, dass die Nordwand als Deckenbalkenauflager diente, während an der Ost- und Westwand nur Streichbalken (Ortbalken) verlegt wurden.
Interessant war die Feststellung, dass die erste Steinreihe in den südlichen Fachwerkgefachen gegenüber der Raumseite zurückliegend gemauert wurden. Außerdem waren in der Ausmauerung dieses Giebels in den oberen Gefachefeldern Schrägausmauerungen zu erkennen, sowie in der Gefachemitte andersartige Steine eingemauert. Dies dürfte daher kommen, dass in den Gefachen zur Tabaktrocknung Lüftungsöffnungen erforderlich waren. Die später nicht mehr benötigt und zugemauert wurden.
Das Gebälk des nördlich gelegenen Fachwerkgiebel war stark von Fäulnis und Schädlingen befallen. Eine Aufbewahrung dieser Hölzer erschien daher unzweckmäßig und das Holz wurde für Brennholzzwecke abgegeben.
Der Mörtel in den Fachwerkgefachen war weich. Ähnliches konnte überhaupt beim Backstein- und Natursteinmauerwerk festgestellt werden. Allerdings wurde in der Südwestecke der Zehntscheune ein sehr harter Mörtel angetroffen.
Das Natursteinmauerwerk bestand überwiegend aus Sandstein nur einzelne wenige Kalksteine waren im Mauerwerk der südlichen Außenwand zu erkennen. Die Sandsteine bestehen aus dem rötlichen Buntsandstein. Bei einigen Steinen ließen sich auch gelbe Einfärbungen feststellen. Gelbfarbener Keupersandstein war dagegen im östlichen Teil der südlichen Außenwand ganzflächig festzustellen (ca. 2/3 der Wandfläche), sieht man von vereinzelt in diesem Bereich vorgefundenen Steinen einmal ab. Auch der während der Abtragungsarbeiten zutage getretene südliche Torbogen ist, mit Ausnahme des Schlusssteines aus Keupersandstein gefertigt. Dies ist wiederum eigenartig, denn alle Außenwände und die Innenwand (frühere Nordwand des südlichen Baukörpers) bestehen aus Buntsandstein. Warum dieser Materialwechsel? Natürlich kann anstelle von Buntsandsteinen auch einmal Keupersandsteine geliefert worden sein, aber bei zweckmäßiger Bauweise hätte die gesamte Südwand in einem Zuge erstellt werden müssen. Folglich wäre eine Schichtung innerhalb der Mauer entstanden und keine senkrechte Trennung. Denkbar wäre auch, dass dieser Gebäudeabschnitt einmal ausgetauscht wurde oder bestehen die Gründe dafür in dem in südöstlicher Richtung angebauten Gebäude an die Zehntscheune? Im Heimatbuch von Ernst Brauch ist zu lesen, dass auf der Südseite der Zehntscheune, ebenfalls in Form eines Doppeltraktes, von der ehemaligen Zigarrenfabrik Piazolo & Ickrath ein Anbau erstellt wurde. Interessant war, dass nach der Entfernung des Wandputzes eine Inschrift auf dem Schlussstein an der Außenseite des südlichen Torbogens zum Vorschein kam: J· S · P , MKW 1883. Mit J· S · P könnte es sich um Johann Sigismund Piazolo handeln. Die Jahreszahl 1883 läge auch in dem Zeitraum der ehemaligen Zigarrenfabrik. Dies lässt also bauliche Eingriffe an der Südwand der Zehntscheune vermuten. Eine Erklärung für die Buchstaben MKW steht noch aus.
Mit dem freigelegten, oberen Teilstück des südlichen Torbogens lässt sich Art- und Weise der Gebäudeandienung ablesen. Man konnte folglich mit den landwirtschaftlichen Fuhrwerken durch die Torbögen hindurchfahren. Ein Tor befand sich in der Nordwand, eines in der Südwand und eines in der Zwischenwand. Hinzu kommt die eventuelle Öffnung in der Ostwand. Durch den nach dem 2. Weltkrieg erfolgten Schwimmbadeinbau im südlichen Gebäudeteil wurde der ursprüngliche Zustand nicht mehr angetroffen. Allerdings waren im nördlichen Gebäudeteil noch die Zwischenebenen (-podeste) neben der Durchfahrt vorhanden. Über diese konnten die Fuhrwerke leicht be- und entladen werden. Darüber hinaus befanden sich über der Durchfahrt noch Öffnungen in den Decken, die durch abschraubbare Metallbänder gesichert waren und über die man Güter auf die oberen Gebäudeböden mit Hilfe von Seilzügen befördern konnte.
Eindeutig festzustellen war, dass der ältere südliche Gebäudeteil eine bessere bauliche Qualität aufwies. Im Gegensatz zum nördlichen Teil wurden hier stabilere Wände errichtet und teilweise hochwertiges Eichengebälk verwendet. Außerdem waren die beiden großen Abfangbalken, als auch die meisten Fuß- und Mittelpfetten aus einem Holzstück gefertigt, so dass diese als ein Balken von der Ostwand bis zur Westwand reichten. Gleiches gilt für die Deckenbalken (vermutlich Kiefernholz), die mit den Abfangbalken verdübelt und ebenfalls nur als ein Balken ausgebildet waren. Durch die Lagerung auf den beiden Abfangbalken ergab sich statisch betrachtet ein Dreifeldträger. Mauerbalken und Deckenbalken wurden auch miteinander verdübelt. Leergespärre, Walmschifter, Kehl- und Gratbohlen von beiden Dachstühlen waren durch zahlreiche Austauschmaßnahmen sehr unterschiedlich beschaffen und von ungleicher Qualität. Ein Aufbewahren der Sparren erschien folglich nicht zweckmäßig und diese wurden als Brennholz abgegeben.
Rätselhaft ist die Anordnung von Streich- und Streifbalken im Bereich der Deckenbalkenauflager im südlichen Gebäudeteil. Diese Balken aus Eichenholz waren unmittelbar vor den Wänden angeordnet. In aufwendiger, zimmermannsmäßiger Arbeit wurden die Leerbalken und die Streichbalken miteinander verzapft (gerader Brustzapfen) und mit Holznägel gesichert. Allerdings blieb die Auflagerkonstruktion auf das westliche und östliche Drittel der Wandlänge beschränkt. Eine Ausnahme stellen die Deckenbinderbalken dar, die auch die Lastabtragung aus den Streichbalken übernommen hatten. Im mittleren Deckenbereich erfolgte die Auflagerung, wie üblich und einfach, auf den über der Mauerkrone liegenden Mauerbalken. Was waren die Gründe für dieses aufwendige Verfahren? Verfügte man nicht über genügend lange Leerbalken? Oder hatte es andere Gründe. Die Antwort steht noch aus.
Angaben zur Gebäudeabtragung
Der angenehme Tabakgeruch während der Abtragungsarbeiten lässt nur unschwer erkennen, dass das Gebäude einst auch als Tabakfabrik bzw. Tabaklager genutzt wurde. Tabakstäube, verdorrte Tabakblätter, Prägestempel und einige Teilstücke von hölzernen Zigarrenschachteln waren Indizien dafür. Außerdem wurden einige Ladescheine der Firma Piazolo & Ickrath, Werbeanzeigen, Frachtbriefe und Zeitungsausschnitte in ausgestemmten Zapfenlöchern gefunden. Diese Fundstücke beinhalteten den Zeitraum des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts.
Das Fenster mit den schönen Beschlagsarbeiten wurde geborgen und könnte vielleicht beim Wiederaufbau der Zehntscheune im Innenbereich in einer Art Wandnische (Ädikula) wieder zur Geltung kommen.
Leider wurde die obere Dachgeschossebene des südlichen Dachstuhles aus Sicherheitsgründen abgerissen. Die Ursache hierfür war vermodertes Holzwerk im Bereich der Südwand, was zu Senkungen im Dachstuhl (ehem. Dachtraufe) sowie zu Verformungen und Risse in der in jüngerer Zeit hergestellten Aufmauerungen führten. Durch die Aufmauerung über der alten Mauerkrone musste die Wasserableitung der südlichen Dachfläche in einer Kehle erfolgen. Unzureichende Abdichtungen und die Einmauerung der Sparrenköpfe haben zu diesem Schadensbild geführt. Die Aufmauerung hatte keinen Ringanker oder stützende Einbindungen.
Der desolate Eindruck, den man von diesem Gebäudeteil hatte, bewog den Eigentümer zum Handeln, da er Gefahr in Verzug sah. Mit seinen Söhnen entfernte er eigenhändig die dazugehörige Dacheindeckung und zersägte das zum Teil aus Eichenholz bestehende Gebälk. Leider war auch der obere Teil des aus Eichenholz bestehenden südlichen Fachwerkgiebel davon betroffen. Allerdings stellte der Eigentümer die zersägten Holzteile der Stadt zur Verfügung und diese wurden mit den gesamten Konstruktionshölzer zu Musterzwecken oder als Gebrauchsstücke für einen Wiederaufbau fachgerecht eingelagert.
Nebenbei sei erwähnt, dass die Zusammenarbeit zwischen Eigentümer und den mit den Abtragungsarbeiten Beauftragten sehr harmonisch verlief.
Die Fassadenecksteine der nördöstlichen bzw. nordwestlichen Gebäudeecken wurden sorgfältig ausgebaut, nummeriert und in Gitterboxen eingelagert. Damit ist gewährleistet, dass die Ecksteine genau ihrer früheren Lagerung wieder eingebaut werden können.
Außer dem im Erdreich verbliebenen Grundmauern ist nur die Südwand und ein kleiner Teil der Westwand (von der Südwestecke bis zum ehemaligen Schiebeelement) stehen geblieben. Die Südwand wurde dabei bis auf Höhe der inneren Plattenverkleidung aus Naturschiefer des ehemaligen Schwimmbades abgetragen. Der Eigentümer wollte, dass die Südwand als Grenzwand stehen bleibt. Der Teil der ehemaligen Westwand dient dabei als Winkelkonstruktion zur besseren Standsicherheit.
Alle Dielenbretter, Kopfanker, geschmiedete Nägel usw. wurden sofern diese in gutem Zustand waren geborgen und für eine Wiederverwertung eingelagert.
Die Kopfanker sollen einen dauerhaften Korrosionsschutz erhalten und bei einem Wiederaufbau mit den Bruchsandsteinen der Außenwände vermauert werden.
Ebenfalls für eine Wiederverwertung sind die Dielenbretter der Gebäudeböden ausgebaut und entnagelt worden.
Mit den Abtragungsarbeiten wurde die Bauunternehmung Gerhard Hoffmann, Hoch- und Tiefbau, aus Reilingen beauftragt. Die Firma Hoffmann hat in der Vergangenheit schon Abtragungsarbeiten ausgeführt, (z.B., Lanzkapelle in Mannheim) und die an die Firma gestellten Erwartungen haben sich erfüllt. Ebenso verhielt es sich mit dem Zimmergeschäft von Klaus Reber aus Hockenheim. Aufgabe der Firma Reber war die Dachstühle in die Konstruktionshölzer zu zerlegen, teilweises abtransportieren der geborgenen Materialien und deren Einlagerung in den beiden dafür zur Verfügung stehenden Hallen. (Bild 28)
Die Gesamtkosten der Gebäudeabtragung für die beiden Firmen beliefen sich lediglich auf:
- Fa. Hoffmann 31.422,08 €
- Fa. Reber 15.280,68 €
Gesamt 46.702,76 €
Von der Denkmalschutzbehörde in Karlsruhe wurde vor Beginn der Abtragungsarbeiten eine zeichnerische Dokumentation gefordert. Diese Aufgaben hat die Hochbauabteilung des Stadtbauamtes von Hockenheim übernommen und aufwendige, maßstabsgetreue Zeichnungen und Aufmaße von der Zehntscheune angefertigt.
Die Tiefbauabteilung des Stadtbauamtes hat die Leitung der Abtragungsarbeiten übernommen, sowie Abtragungs- und Fotodokumentation, Filmaufnahmen, Bauüberwachung und Objektbetreuung durchgeführt.
Neubau und Gebäudenutzung
Am neuen Standort soll die Zehntscheune als Tabakmuseum und Bibliothek genutzt werden. Insbesondere für diese Nutzungsarten wird die neue Zehntscheune einen passenden und würdigen Rahmen geben.
Schlussbetrachtung
In uns Menschen ist eine bewusst erfahrene oder unbewusst vorhandene Sehnsucht nach Vergangenem und von individueller Unterschiedlichkeit geprägt. Sie war aber immer schon in uns vorhanden und keine Erscheinungsform unserer heutigen Zeit. Das Rückbesinnen auf Altes und Vergangenes spiegelt sich unter anderem in der Literatur in Sagen und Märchen (Es war einmal .....) wieder.
Renaissance verstand sich als die aus dem Humanismus kommende Lebenshaltung und versuchte in den wiederentdeckten Werken der Antike anzuknüpfen. Nicht viel anders waren im Grunde die Erscheinungsformen von Historismus und Romantik.
Der Mensch braucht also mehr als nur eine gute Behausung. Auch das Umfeld in sozialer und historischer Hinsicht ist für ihn bedeutungsvoll. Folgerichtig werden bei Urlaubsreisen in großem Umfang Städte und Gemeinden mit historischer Bausubstanz aufgesucht, da diese Stätten auf die Besucher wie ein Magnet wirken. Dies ist für diese Kommunen nicht unwesentlich und von finanzieller sowie wirtschaftlicher Bedeutung, weil damit auch eine Stärkung des Einzelhandels und der allgemeinen Kaufkraft einhergeht.
Selbst im Umfeld von Hockenheim lässt sich unschwer erkennen, dass Städte wie Speyer, Schwetzingen und Ladenburg mit ihrer reichlichen historischen Gebäudestruktur auf die Bevölkerung eine Anziehungskraft ausüben. Wie würden etwa geschichtlich orientierte Feste und Veranstaltungen wirken, z.B. ein Weihnachtsmarkt, inmitten der Eintönigkeit einer Trabantenstadt. Das Empfinden über einen solchen Weihnachtsmarkt wäre, dass dieser fad und fehlplatziert ist.
Das Alte und Beschauliche ist wichtiger für uns Menschen als wir vielleicht oberflächlich meinen.
Wer dies erkennt, wird auch verstehen wie wichtig der historische Wiederaufbau der Zehntscheune für Hockenheim ist.
Die Zehntscheune mit dem schlichten und dennoch ausdrucksstarken, unverwechselbaren Baukörper, stellt ein einzigartiges Gebäude dar. Einst als landwirtschaftliches, zwischenzeitlich industriell genutztes Ökonomiegebäude weist es eine reiche Vergangenheit auf und war ein wichtiges Bauwerk im Leben der Hockenheimer Vorfahren. Eine Vernichtung, d.h. kein Wiederaufbau würde für Hockenheim einen Verlust darstellen und Hockenheim ein Stück ärmer machen.
Hockenheim, 15.01.2007
Stadtbauamt Hockenheim
Quellennachweis:
- "Die Schule des Maurers", Eduard Harres von 1881
- "Die Maurerkunst", H. Müller um 1889
- "Die Schule des Bautechnikers", Franz Stade von 1907
Band XII Steinkonstruktionen
Band XIII Holzkonstruktionen - "Die praktischen Arbeiten und Baukonstruktionen des Zimmermanns in allen ihren Teilen", Dr. W.H. Behse von 1887 (Buch und Atlas)
- "Baukonstruktionslehre", Fritz/Knöll/Neumann von 1972
- "Fachstufen Bau Hochbau", Balder Batran/Herbert Bläsi/Volker Frey/Dr. Klaus Köhler/Eduard Kraus/Eugen Sonntag von 1992
- "Bauzeichnen", Heinrich-Jürgen Dahmlos/Dr. Karl-Hermann Witte von 1977
- "Bauentwurfslehre", Peter Neufert von 1991
- "Das große Buch der Bauteile", Herbert Pothorn/Christoph Hackelsberger von 1998
- "Süddeutsche Bauwirtschaft" Zeitschrift vom Dezember 2006