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die Stadt

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Städtebauliche- und andere G E S C H I C H T E N aus H O C K E N H E I M

 

  1. Vor der Gründung
  2. Wie es mit Hockenheim begonnen haben könnte
  3. Bevölkerungsentwicklung und bauliche Konsequenzen
  4. „Die Bach“
  5. Wald, Wiesen, Äcker, Tiefgestade und die Bauern
  6. Ortsadel, Schultheiße, Bürgermeister und Rathäuser
  7. Ortspläne, Stadtentwicklung , Straßen und Brücken
  8. Freihöfe (vom Frondienst befreit), Mühlen und Gasthäuser
  9. Gute Zeiten und schlechte Zeiten
  10. Gotteshäuser
  11. Friedhöfe
  12. Vom großen Dorf zur kleinen Stadt
  13. Energie- und Wasserversorgung
  14. Schulen, Kindergärten und Kindergrippen, Gesundheitswesen
  15. Mobilität durch neue Verkehrswege
  16. Rennstrecke und andere Sportstätten
  17. Plätze
  18. Bauliche Entwicklung nach dem 2. Weltkriegs
  19. Das Gewerbegebiet „Talhaus“
  20. Blick in die bauliche Zukunft (nicht nur) unserer Stadt

 

 

1. Vor der Gründung

Sehr wahrscheinlich zogen kleine Gruppen von Neandertalern schon vor mehr als 50.000 Jahren auch durch die Gegend, wo sich heute die Hockenheimer Gemarkung erstreckt. Sie waren jagende Nomaden, blieben nie lange und wurden in unserer Gegend vor gut 30.000 Jahren von dem Menschentyp verdrängt, welchem alle heute lebenden Rassen angehören.

Erst aus einer Zeit viel später, nämlich um 2.000 v.Chr., lassen sich erste Spuren von Menschen nachweisen, die zeitweilig hier siedelten. Werkzeug- und Grabfunde im Gewann "Hochstetten" am Hofweg belegen das. Sie gehörten der "Glockenbecher-Kultur" an, waren von Südwesten her eingewandert und lebten immer mehr vom Ackerbau, weshalb sie das Nomadentum aufgeben und sesshaft werden konnten bzw. mussten.

Ab etwa 1200 v. Chr. kamen die Kelten in unser Gebiet. Sie hinterließen wesentlich deutlichere Siedlungsspuren sowie Zeugnisse ihrer späteren Unterwerfung durch die Römer. Noch zu deren Herrschaftszeit, im 1. Jahrhundert n.Chr., sickerten von Osten her zunehmend Angehörige eines germanischen Stammes ein, die Neckar-Sueben (Schwaben). Menschen und Sprachen vermischten sich friedlich.

Es gibt Hinweise darauf, dass seinerzeit auf unserer heutigen Gemarkung ein Römer-Kastell gebaut wurde. Es stand wohl am Rande des Hochgestades, diente der Bewachung des Weges vom Verwaltungszentrum Lobodunum (Ladenburg) nach Noviomagnus (Speyer). Ein breiter Rheinarm verlief damals einige Zeit wahrscheinlich direkt unterhalb vorbei (Gewann "Horststücker"). Auch Reste eines römischen Bauernhofes ("villa rustica" ) wurden gefunden. Solche Betriebe wurden meist von ausgedienten Legionären, ihren einheimischen Lebensgefährtinnen und den gemeinsamen Kindern bewirtschaftet.

Doch ab etwa 250 n.Chr. war es am ganzen Oberrhein vorbei mit den ruhigen Zeiten, denn ein anderen germanischen Stamm, die Alemannen, drängten die Römer und alle Einheimischen, die sich nicht von ihnen lossagten, mit Gewalt zunächst bis an den Rhein und später noch weiter nach Westen zurück.

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2. Wie es mit Hockenheim begonnen haben könnte

In jene Zeit, also etwa zwischen 300 und 500 n. Chr., fällt wohl der Beginn der eigentlichen, ununterbrochene Siedlungsgeschichte unserer Stadt. Ob der erste "Bauherr" wirklich "Hoggo" (Hugo) hieß oder "Oggo" oder "Ogin" und ob er Suebe war oder Alemanne und ob auch keltisches Blut in seinen Adern floss, wer weiß? Vielleicht war er ein Flüchtling, der im Jahr 451 beim Durchzug der Hunnen unter Attila ("Hunnensturm") hierher verschlagen worden war. Oder war er doch schon ein Franke, dessen Stamm nach den siegreichen Schlachten gegen die Alemannen in den Jahren 496 und 506 begann, für Jahrhunderte weite Teile Europas zu dominieren? Wir werden es nie zweifelsfrei wissen und müssen daher bezüglich der Gründungsgeschichte die Fantasie bemühen.

Vielleicht war es so: Hoggo wuchs mit seiner Mutter, der Großmutter mütterlicherseits, einigen Geschwistern und anderen Verwandten am Ufer eines Flusses auf, den die Oma in ihrem eigenartigen Sprachmischmasch als "Neika" (von indogermanisch "neik" = der Heftige; heute Neckar) bezeichnete, der einen halben Tagesmarsch gen Sonnenuntergang in den "Rin" (von indogerm. "ri" = der Fließende; heute Rhein) mündete. Er wusste von seiner Mutter, dass die Oma in ihrer Kindheit nur "keltsch" (keltisch) sprechen konnte. Wenn er sie über ihre Jugend ausfragen wollte, wurde sie immer sehr traurig und schweigsam. Vom Vater ihrer Kinder sprach sie nie. Offenbar hatte sie Schlimmes erleben müssen. Diese Oma hatte die Vaterrolle in der Familie übernommen, seit jener an einem Wasserloch im Wald das überraschende Zusammentreffen mit einer Braunbärin, die zwei Junge führte, nicht überlebt hatte.

Das Schicksal seiner Vorfahren vor Augen, die mehrfach als Folge großer Überschwemmungen des Neika ihre Siedlung verlegen mussten, hatte Hoggo schon früh ganz bestimmte Vorstellungen über die Beschaffenheit eines guten Baugeländes. Es musste auf dem Rhein-Hochgestade liegen und zudem am möglichst hohen Ufer eines Baches. Letzteres wegen des lebensnotwendigen Trink- und Nutzwassers, der Möglichkeit zum Fischfang, sowie der schnellen Ableitung der Abwässer. Auch eine möglichst nahe Furt durch diesen Bach war für das Alltagsleben von Vorteil, auch wenn damit das Risiko verbunden war, dass des Öfteren Fremde unvermutet auftauchten.

Als er alt genug war, um sich selbständig zu machen, schaute sich Hoggo bei seinen zahlreichen Jagdzügen nach einem solchen Gelände um und fand es schließlich an einem Bach, der als "Creuch" ( keltisch: "Schlamm, Lehm"; heute Kraich) bekannt war. Er überzeugte seine Auserwählte, diese ihre kritischen Eltern, und als auch der heidnische Priester nach Übergabe eines von Hoggo selbst erlegten Wildschweins keine Einwände mehr hatte, schritt er zur Tat und machte den Platz baureif.

An einem Frühlingstag begann der unbewusste Stadtgründer mit der Errichtung seiner ersten Wohnhütte aus Holz mit Schilfdach samt angebautem Stall. Bald war auch eine separate Vorratshütte und in kurzer Entfernung eine kleine Opferstätte für die Götter fertig. Noch im gleichen Sommer wurde geheiratet und das junge Paar zog ein. Hoggo´s Heim, der Kern von Hockenheim, war fertig. Vieles spricht dafür, dass sich daraus der "Untere Freihof" ( Rest = "Hotel Kanne") entwickelte, auf dessen ursprünglichem Innenhof seit 2010 die hierher versetzte "Zehntscheune" steht.

Wie es der Brauch war, hatten Geschwister und Jugendfreunde dem Hoggo beim Bauen geholfen. Er konnte einige davon überzeugen, sich nahe seiner Hütte ebenfalls anzusiedeln, denn mit vereinten Kräften waren schwere Arbeiten und Gefahren besser zu bewältigen. So entstand rasch eine kleine Siedlung samt Palisadenzaun zum Schutz vor tierischen und menschlichen Feinden. Die Opferstätte wurde vergrößert und daneben ein erstes Gelände für Bestattungen freigehalten. Später wurde der erste Brunnen gebaut.

Um Ackerland zu gewinnen, begannen schweißtreibende Rodungsarbeiten am Rande des nach Norden und Osten angrenzenden Urwaldes. Die anfängliche Fruchtbarkeit dieses Bodens ließ bald nach, denn die alte Waldkrume wurde dünner und der wenig fruchtbare Sandboden kam durch. Man behalf sich mit Düngung, punktuelle Bewässerung, Teilbrache und immer weiteren Rodungen. Außerdem nutzte man das breite Bachbett der Kraich als Viehweide sowie zur Gewinnung von Winterfutter. An eine landwirtschaftliche Nutzung des riesigen Tiefgestades im Westen war nicht zu denken, denn es wurde oft vom Rin überschwemmt, war sumpfig, voller Schnaken und daher nur sehr eingeschränkt zur Jagd geeignet.

Viele Kinder wurden geboren und die meisten von den relativ wenigen, die das Erwachsenenalter erreichten, blieben in der Nähe der Eltern, denn es gab es genügend Land, Holz, jagdbares Wild, Früchte und der Bach war voller Fische. Die Söhne gründeten Familien, bauten eigene Hütten und legten neue Äcker an. Die Töchter waren so fleißig und hübsch (schließlich waren sie Hockenheimerinnen), dass junge Männer aus anderen Siedlungen bald selbst glaubten, es sei ihre eigene Idee gewesen, sich ebenfalls nahe dem alt und weise gewordenen Hoggo anzusiedeln.

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3. Bevölkerungsentwicklung und bauliche Konsequenzen

Aus dieser kleinen Siedlung entlang dem Hochufer der Kraich entwickelte sich der Weiler, welcher bei der ersten urkundlichen Erwähnung als "Ochinheim" in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Lorsch aus dem Jahre 769 so um die 100 Einwohner gehabt haben dürfte.

Das Wachstum des kleinen Dörfchens "Hoggene" ging bis in das 14. Jahrhundert langsam vor sich, zumal nicht mehr als ursprünglich jeder einfach nach Bedarf bauen durfte. Alles Land war in fränkischer Zeit Eigentum des Adels oder der Kirche, deren Genehmigung für jedes größere Bauvorhaben erforderlich war und die nicht nur zustimmen mussten, sondern dafür auch etwas haben wollten. Also überlegte es sich jeder sehr genau, bevor er baute.

Trotz meist schwieriger Lebensbedingungen wuchs die Zahl der Einwohner und dürfte 1644, als Hockenheim vom 30-jährigen Krieg erstmals mit voller Wucht getroffen wurde, zwischen 500 und 600 betragen haben. Im Jahr 1649, also ein Jahr nach Friedensschluss, wurde der kurfürstlichen Regierung auf Anfrage mitgeteilt, dass "nur der zehente theil der Mannschaft (Einwohner) übrig" sei.

44 Jahre, drei weitere Kriege sowie zwei Missernten später hausten wohl noch weniger Menschen in den verkohlten Trümmern und die Zahl der Hockenheimer war vermutlich sogar unter den Bestand des offiziellen Gründungsjahres 769 zurückgefallen. Religiöser Fanatismus und die rücksichtlose Durchsetzung von Machtinteressen hatten weiten Landstrichen einen Sturz von der Hochkultur quasi in die Steinzeit gebracht. Von diesem Rückschlag hat sich Deutschland nie wieder ganz erholt.

Schon ab etwa 1650 hatte die kurpfälzische Obrigkeit mit gezielter Einwanderer-Werbung begonnen, wodurch in den folgenden Jahrzehnten einige Dutzend Familien, insbesondere aus der Schweiz und Frankreich, nach Hockenheim kamen. Auch jüdische Zuwanderer und Hugenotten wurden hier sesshaft. Dadurch sowie durch hohe Geburtenraten stieg die Einwohnerzahl bis 1741 wieder auf etwa 800 Einwohner an. Im Jahr 1781 werden urkundlich "1068 Seelen" bestätigt, 1835 waren daraus rd. 2.300 geworden, bei der Verleihung der Stadtrechte im Jahr 1895 wurden rd. 5.300 Hockenheimer gezählt, 1935 waren es rd. 9.800 und 1950 lebten rd. 12.500 Bürger hier. Es folgten 10 Jahre ohne Zuwachs, dann aber ging es Schlag auf Schlag. Schon 1964 waren mehr als 14.000 Einwohner gemeldet und im Jahr 2001 wurde die 20.000 - Grenze überschritten und damit Hockenheim zur "Großen Kreisstadt". Gemessen an der heutigen Einwohnerzahl von knapp 22.000 ist Hoggo´s Gründung somit eine Erfolgsgeschichte, trotz mehrfachem Aderlass durch Kriege, Seuchen, Hungersnöte und Auswanderung.

Die städtebauliche Entwicklung Hockenheims verlief über Jahrhundert als typisches fränkisches Straßendorf, gelegen an einer uralten Kreuzung von Völker- und Handelswegen. Die meisten Hütten standen nebeneinander zu beiden Seiten eines Feldweges auf dem östlichen Hochufer der Kraich, aus dem sich langsam die Hauptstrasse entwickelte. Das Zentrum war eine kleine Kapelle, später die Stadtkirche. Wegen der Furt durch den Bach war die wichtigste Verbindung nach auswärts Jahrhunderte lang die Achse Speyerer Weg (mit Abzweigung Richtung Frankfurt) / Heidelberger Weg. Diese recht zentrale Verkehrslage wurde für Hockenheim Segen und Fluch zugleich. Die bald nach Siedlungsbeginn entstehenden sonstigen Pfade zu benachbarten Siedlungen haben anfangs wohl ähnlich ausgesehen wie heute noch das verbliebene Reststück des "Sandheiser Peedl" (Pfad nach Sandhausen) im Hardtwald.

Die wachsende Bevölkerung brauchte weiteren Siedlungsraum und so musste der seinerzeit übliche Palisadenzaun (eine Stadtmauer konnte man sich nicht leisten) immer wieder Richtung Norden, Osten und Süden versetzt werden. Schließlich entschloss man sich, als zusätzliche Sicherungsanlage davor einen Wassergraben auszuheben, zu dessen dauerhafter Flutung ein erstes Wehr am Kraichbach gebaut werden musste. Etwa im 11. Jahrhundert wurde der Graben wieder zugeschüttet, vermutlich, weil die laufende Pflege der Anlage zu aufwendig und die Wasserzufuhr immer problematischer wurde. Möglicher Weise stand dies im Zusammenhang mit dem seinerzeitigen Bau des Mühlgrabens. Die heutige Ottostrasse hieß bis ins 19. Jahrhundert "Im Dorfgraben" und folgt zusammen mit der Oberen Mühlstraße dessen früherem Verlauf.

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4. „Die Bach“

Die Kraich ist schon immer das natürliche Rückgrat von Hockenheim, auch wenn seine Bedeutung für die Bewohner im Laufe der Jahrhunderte geringer wurde. Sie folgt, ursprünglich mit mehreren Seitenarmen, dem breiten Hauptarm des etwa vor 7.000 Jahren trocken gefallenen "Kinzig-Murg-Flusses", der seinerzeit zwischen Hockenheim und Reilingen lag und beim früheren "Dreckloch" in das Tiefgestade des Rheins mündete. Während der Schneeschmelze führte dieser Fluss sehr viel Wasser und sein Delta umfasste das Gebiet zwischen dem heutigen Kriegbach bei Altlußheim und dem heutigen Leimbach bei Brühl.

Regulierende Eingriffe in Bachläufe sind in unserer Gegend schon aus der Römerzeit bekannt. Vielleicht mündete der Angelbach, welcher heute bei Wiesloch in den Leimbach fliest, ursprünglich in die Kraich. Damit würde es erklärbar, dass diese bis in das 18. Jahrhundert hinein meist als "Angelbach" und unsere Region als "Angelgau" bezeichnet wurden.

Das erste bekannte örtliche Stauwehr lag am damaligen Ende der heutigen "Oberen Mühlstraße." und entstand bereits im Mittelalter. Es diente ursprünglich hauptsächlich der Bewässerung des Dorfgrabens. Vermutlich um das Jahr 1100 wurde der Mühlgraben angelegt, der viel später, im Jahr 1894, zum Hauptlauf des Baches gemacht wurde. Schon frühzeitig hat man zudem damit begonnen, erste Teile des breiten und sumpfigen Bachbettes zu entwässern, um Weide- und Ackerland zu gewinnen. Alte Geländenamen wie "Bruchgärten" und "Schackgärten" beweisen zudem die noch heute dort verbreitete Nutzung als Hausgärten. Weitgehend in Vergessenheit geraten ist, dass in jener Zeit und bis gegen Ende des 30-jährigen Krieges an dem nach Südwest ausgerichteten Steilabfall zum Tiefgestade intensiv Weinbau betrieben wurde. Daran erinnern Straßennamen wie "Altwingertweg" und "Hinter den (Wein-) Bergen".

Der Hauptlauf des Baches wurde auf Hockenheimer Gemarkung immer mehr entlang des östlichen bzw. nördlichen Hochufers gelegt, damit das Wasser möglichst nahe am Ort vorbei floss. Ein tieferes und damit dauerhaft stabiles Bachbett wurde allmählich durch den in unregelmäßigen Abständen durchgeführten "Bachaushub" erreicht. Ab 1762 wurden diese Arbeiten gekrönt mit der Kappung der letzten natürlichen westlichen und südlichen Seitenarme und deren Umgestaltung zu einem Ent- bzw. Bewässerungssystem durch den Bau von Schleusen, Gräben und Dämmen. Die Gesamtanlage umfasste schließlich den Bereich von der Gemarkungsgrenze zu Reilingen bis einschließlich Messplatz (u.a. Gewanne "Breitwiesen", "Oberbruch", "Stöcket") sowie auch das nordwestlich des Speyerer Weges (Karlsruher Str.) gelegene Überschwemmungsgebiet "Stiegwiesen", dessen linker Teil in den achtziger Jahren zum "Ebert-Park" umgestaltet wurde. Reste des Systems sind immer noch erkennbar insbesondere beim Völkerkreuz, dem Messplatz und am südlichen Stadtrand.

Bis etwa 1830 bildete der Bachlauf die westliche Bebauungsgrenze von Hockenheim. Die einzige Ausnahme war der nördliche, ältere Teil der Zehntscheune. Eine Zeichnung aus dem Jahr 1860 beweist nicht nur die begonnene Verschiebung der Ortsgrenze über den Bach hinweg nach Westen, sondern auch, dass sowohl dieser als auch ein Bewässerungskanal in getrennten Betten und im Abstand von etwa 60 Metern unter der Karlsruher Str. hindurch geführt wurden.

Beide Wasserläufe der Kraich, also Bachbett und Mühlgraben, wurden schließlich im Jahr 1930 mittels Betonmauern kanalisiert. Das war eine zwar praktische, aber optisch sehr unschöne Lösung, die früher bis zur alten Bahnlinie ging. Während der westliche Bachlauf im Rahmen der Landesgartenschau bereits renaturiert wurde, sollen die Teile östlich der Karlsruher Str. in den nächsten Jahren im Zuge von Maßnahmen zum Hochwasserschutz wieder in einen mehr natürlichen Zustand versetzt werden. Wenn die entsprechenden Pläne so verwirklicht werden, wie sie vorgestellt wurden, kann man sich auf eine deutliche Verbesserung des Stadtbildes freuen.

Erwähnenswert ist auch, dass auf unserem Bach bis etwa 1700 aus dem Kraichgau heraus die Flößerei betrieben wurde. Bald danach plante ein tüchtiger Hopfen- und Tabakhändler sogar die Schiffbarmachung von Hockenheim bis zum Rhein, was jedoch am Widerstand interessierter Kreise aus Speyer und Mannheim scheiterte.

Ursprünglich floss der Kraichbach westlich des heutigen Segelflieger-Platzes und nahe an der erst um 1960 entstandenen Seewaldsiedlung vorbei zum Rhein. Sein ursprüngliches Bachbett ist dort noch heute gut erkennbar. Der heutige, etwa 1580 ausgehobene Bachverlauf ab dem Wehr nahe dem Altwingertweg mündete seinerzeit unter der Bezeichnung "Seebach" in den ausgehobenen "Ludwig-See". Dieser Fischweiher verlandete während des Dreißigjährigen Krieges weitgehend und wurde erst ab dem Jahr 1659 unter den Kurfürsten Karl-Ludwig wieder instand gesetzt, gleichzeitig vergrößert. Um die benötigte größere Wassermenge zu erhalten, wurde vom Leimbach bei Nußloch durch ein Wehr ein Teil des Wassers abgeleitet und durch den Kanal, der heute fälschlich "Hardtbach," genannt wird, in den nunmehr "Karl-Ludwig-See" bezeichneten Weiher umgeleitet. Schon ab etwa 1716 wurde das Gewässer wieder vernachlässigt und verlandete zunehmend. Im Zusammenhang mit der Rheinregulierung wurden letztendlich beide Wasserläufe durch einen neuen Kanal bis zur heutigen Mündung bei Ketsch geführt.

Bevor es ab 1910 fließenden Wasser in den Häusern gab, wurde die schmutzige Wäsche (auch im übertragenen Sinn) von vielen Hockenheimer Hausfrauen im Kraichbach gewaschen und zwar fast immer montags. Zum Trocknen wurden dann die großen Stücke auf der Bleiche ausgebreitet, und die Kinder mussten aufpassen, dass nicht Gänse und Enten darüber watschelten und durch Hinterlassung gewisser "Andenken" die mühsame Arbeit zunichte machten. Die Bleiche war genau da, wo heute der Messplatz mit angrenzender Wiese und Gymnasium ist.

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5. Wald, Wiesen, Äcker, Tiefgestade und die Bauern

Über Jahrhundert war Holz das wesentliche Baumaterial für alle Behausungen, Brücken sowie technische Anlagen der Hockenheimer. Grundmauern, Keller oder gar ganze Gebäude aus Stein konnten sich über Jahrhunderte nur die Kirche und Adelige leisten. Das änderte sich langsam erst im 18. Jahrhundert, als es Gastwirte, Handwerker und Händler zu bescheidenem Wohlstand gebracht hatten und größere sowie dauerhaftere Hauser bezahlen konnten.

Die andauernde Rodung für landwirtschaftliche Nutzung sowie der Holzbedarf für Gebäude, Herde, Öfen und auch für die gewerbliche Köhlerei, führte dazu, dass der Wald auf dem Hochgestade ("Hardt"= bewaldeter Hang) immer mehr zurückgedrängt wurde. Hinzu kam, dass der wachsende Bestand an Haustieren zwecks Futtersuche in den Wald getrieben wurde, was zum Verbiss der Jungbäume führte mit dem Ergebnis, dass weite Teile des früheren dichten Urwalds zu fast baumloser Heide wurden. Holz, Tierfutter und Einstreu wurden knapp.

Nach dem Verbot der ungeregelten Waldnutzung, also auch der Waldweid, im 1700 Jahrhundert begannen erste, einige Jahrzehnte später auch systematische Aufforstungen mit der genügsamen und schnell wachsenden Forle (Kiefer) im Hardtwald; diese Nadelbäume konnten aber den ursprünglichen Laubwald nur teilweise ersetzen. Erst als sich langsam wieder eine Humusschicht gebildet hatte, wurden ab beginnendem 20. Jahrhundert auch wieder Laubbäume gesetzt. Der von der Forstverwaltung angestrebte Mischwald wird zwischenzeitlich immer sichtbarer.

Ein Teil des Rheinwassers floss zur Römerzeit meist noch direkt am Rand des Tiefgestades entlang. Immer wieder auftretende riesiger Überschwemmungen bewirkten, dass der Fluss später seinen Lauf viel weiter nach Westen verlegte, um etwa im Jahr 775 durch Bildung des "Marlach"-Armes (vermutlich von "Mark-Lache") erneut näher an Hockenheim heran zu rücken. Dort verlief von 1462 bis 1806 die westliche Gemarkungsgrenze von Hockenheim und damit auch Landesgrenze der Kurpfalz zum Bistum Speyer.

Das Verbot der Waldweid und die dadurch notwendig gewordene Stallhaltung des Viehs zwang die Bauern, zwecks Gewinnung von Futter und Einstreu nicht nur das Bachbett der Kraich durch Trockenlegung intensiver zu nutzen, sondern auch die viel mühsamere Erschließung des sehr nassen Rhein-Tiefgestades in Angriff zu nehmen. Obwohl dort über die Jahrhunderte so mancher Damm und Kanal gebaut und durch Hochwasser wieder weggespült wurde, konnten ab 1780 Fortschritte bei der Trockenlegung gemacht werden. Den echten Durchbruch brachte jedoch erst die Zeit nach dem letzten sehr starken Hochwasser von 1852. Die Rheinregulierung machte sich auch in unserer Gegend bemerkbar und die dauerhafte landwirtschaftliche Nutzung wurde endlich möglich. Sümpfe wurden zu Wiesen und Weiden und einige Jahrzehnte später zu Ackerflächen.

Es war ein besonderer Glücksfall, dass im Tiefgestade große Torfflächen gefunden wurden. Das "Torfloch" in der Marlach zeugt heute noch davon, dass bis Anfang des 20. Jahrhunderts viele tausend Kubikmeter des wertvollen Materials als Brennstoff und Stall-Einstreu in den Ort gekarrt wurden. Danach wurde dieses Gelände sich selbst überlassen und es entstand ein kleiner Urwald, ab Ende der siebziger Jahren nördlich des Hofweges ergänzt durch eine Erlen-Anpflanzung. Eine weitere Vergrößerung dieser Waldfläche erfolgte ab 2002 durch Ausgleichs-Pflanzungen für Rodungen, die der Bau des Motodroms verursacht hatte.

Die weiter nördlich vorhandene Tonerde im früheren Bett der Kraich konnte nach der Rheinregulierung ebenfalls großflächig abgebaut werden. Sie wurde zunächst direkt nebenan in der Ziegelei "Ketschau" und später in einem Werk am Rheindamm zu Backsteinen und Tonziegeln verarbeitet. Die früheren Lagerstätten sind heute Naturschutzgebiete oder Angelteiche und aus der "Ketschau" wurde ein idyllisches kleines Wohngebiet und ein Pferdehof.

Der "Insultheimer Hof", ursprünglich eine Weiler namens "Ansilisheim", wurde etwa ab dem 6. Jahrhundert risikoreich auf einer relativ hohen Kiesbank angelegt. Sein Schicksal war dementsprechend vom Hochwasser des Rheins geprägt und so lag er mal links und dann wieder rechts der Hauptrinne des Flusses. Am Ende des 30-jährigen Krieges war der Ort völlig verlassen. Später wurden vom damaligen Eigentümer, dem Bistum Speyer, mit wechselndem Erfolg Pächter eingesetzt und es entstand wieder eine kleine Gemeinde, sogar mit Dorfmauer und Kapelle. Im Rahmen der Säkularisierung kam das Hofgut 1806 als Landesdomäne zum Großherzogtum Baden und wurde der Gemarkung Hockenheim zugeschlagen. Der heutige Weg dorthin wurde 1885 in heutiger Form ausgebaut.

Am Nordrand des Hockenheimer Tiefgestades, meist auf angrenzenden Ketscher Gemarkung gelegen, bestanden schon seit dem 16. Jahrhundert einige Fischweiher, betreut und bewacht von einem "Seeknecht". Gemäß einem Vertrag zwischen dem Bistum Speyer und der Kurpfalz wurden diese Teiche ab etwa 1650 zu einem großen Fischzuchtgewässer ausgebaut. Es entstand der zwar ziemlich flache, aber recht ausgedehnte "Karl-Ludwig-See", benannt nach dem damaligen Kurfürsten. Der stete Wassernachschub dafür wurde gesichert durch die Verlegung des Kraichbachbettes samt Schaffung eines zum See abzweigenden Seitenkanals ("Seebach"). Ein Regulierungskanal vom See zum Rhein ("Strang") war ebenfalls erforderlich. Zudem wurde der Leimbach angezapft, wofür man einen Kanal von rd. 9 km Länge quer durch den Hardtwald bis nahe Nussloch baute. Dadurch schaffte man gleichzeitig Hochwassersicherheit für den Schwetzinger Schlossgarten.

Um all´ das entstehen zu lassen waren über Jahre umfangreiche Erdbewegungen notwendig, welche hauptsächlich die Hockenheimer Bauern im Rahmen ihrer Frondienst-Verpflichtungen mit ihren eigenen Werkzeugen, Vieh und Fuhrwerken zu leisten hatten. Neben Fischzucht im großen Stil diente das Gewässer jeden Herbst der Belustigung des kurpfälzischen Hofstaates, der auf kleinen Wasserfahrzeugen bei guter Bewirtung und Musikbegleitung mit Keschern beim Abfischen "half". Auch bei diesen Gelegenheiten war tagelanger Fron-Einsatz erforderlich.

Nördlich der Mündung des Hardtkanals in den Kraichbach ließ der Kurfürst ein aufwendig ausgestattetes zweigeschossiges Gebäude errichten, das man heute als "Wochenendhaus in gehobenem Stil" bezeichnen würde. Ein Stück weiter weg wurde der "Seeknecht" mit Familie in einer Hütte mit Stallung und kleiner Landwirtschaft angesiedelt. Das war der Anfang der heutigen Siedlung "Seehaus", wo die bekannte Tochter des Herrschers, "Lieselotte von der Pfalz", viele glückliche Monate ihrer Kindheit verbrachte, wie sie später in Briefen mehrfach erwähnte. Dass der Kurfürsten die abgelegene Liegenschaft auch als "Liebesnest" für seine Nebenfrau nutzte, sei am Rande erwähnt.

Ab etwa 1740 wurde der Karl-Ludwig-See immer weniger instand gehalten und verlandete mehr und mehr. Die letzten Reste verschwanden gut 100 Jahre später im Zuge der Rheinbegradigung. Bei Hochwasser allerdings steht seine tiefste Stelle, die "Pfanne", heute noch unter Wasser. Die Gewann - Bezeichnung "Herrenteich" erinnert noch an die früheren Gegebenheiten.

Am Hofweg im Mörsch (von "Marsch"= Übergangsbereich von Gewässer und Land), früher gleich "unterhalb" des Gaswerkes, besaß die Stadt Hockenheim etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts einen Gutshof. Der zugehörige Dreschplatz war zur Zeit der Getreideernte ein viel genutzter und -besuchter Treffpunkt nicht nur für die damals noch zahlreichen Bauern, sondern auch für alle Hockenheimer Lausbuben, Diese versuchten oft, in den nahe gelegenen Obstbäumen und Schrebergärten zu "bengeln", immer in der Angst, von Pächtern oder dem Feldschütz erwischt zu werden. Das Gut wurde in den neunziger Jahren verkauft und wird seither als privater Bauernhof geführt.

In diesem Gebiet wurden nach dem letzten Weltkrieg einige Baracken sowie geschlossene Güterwaggons (ohne Räder) aufgestellt, die zunächst zur Unterkunft für viele Flüchtlinge wurden und danach zur jahrelangen, oft unangenehm feuchten und kalten neuen Heimat für Wohnungslose. Nahebei liegt jetzt das Gelände des regen Kleintierzuchtvereins, beherrscht von einer Ausstellungshalle samt Gastwirtschaft (Mörschhalle).

In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts begannen Planungen mit dem Ziel, die hauptberuflichen Landwirte näher zu ihren Nutzflächen zu bringen und gleichzeitig die Hockenheimer Ortslage von den diversen Nebenerscheinungen der Bauernhöfen zu befreien. Das Ergebnis waren die Siedlungen "Siegelhain" und "Seewald". Dorthin verlagerten ab 1959 fast alle hauptberuflichen Bauern aus Hockenheim ihre Höfe, nachdem ein umfangreicher Ringtausch der landwirtschaftlichen Flächen durchgeführt worden war. Hockenheim verlor danach völlig seinen vorher immer noch stark bäuerlich geprägten Charakter.

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6. Ortsadel, Schultheiße, Bürgermeister und Rathäuser

Im Frankenreich war aller Grund und Boden zunächst herrschaftlicher Besitz. Vom Herrscher mit Grundstücken samt Baurechten "belehnt" wurden verdiente Krieger und Höflinge oder entfernte Verwandte, daneben wurden vielfach Klöster beschenkt. Aus den Lehnsherrschaften entwickelte sich oft ein "niedriger Adel", dessen jeweiliges Familienoberhaupt automatisch auch Ortsvorsteher war.

Der Hockenheimer Ortsadel, urkundlich erstmals im Jahr 1198 bezeugt, residierte wohl auf dem "Unteren Freihof", der somit auch erstes Rathaus war. Der Umzug der "Edlen von Hockenheim" in das bei Reilingen neu gebaute Wasserschloss "Wersau" scheint dieser Familie aber nicht bekommen zu sein, denn sie starb schon um das Jahr 1300 aus

Erst ab 1444 sind Namen von hiesigen Schultheißen bekannt, deren Amtsbezeichnung ab 1832 "Bürgermeister" und seit 2001, als die Einwohnerzahl 20.000 überschritt, "Oberbürgermeister" lautet. Diese Männer haben zusammen mit Gemeinderäten, Bürgerausschüssen sowie fachkundigen Handwerkern, Stadtbaumeistern und Architekten auch die bauliche Entwicklung unserer Stadt maßgeblich bestimmt.

Der "Untere Freihof" war bis in das 17. Jahrhundert hinein Sitz des Schultheißen. Ein erstes eigenständiges Ratsgebäude ist in "Ockena", wie das kleine Dorf auf einer Karte aus dem Jahr 1528 genannt wird, wahrscheinlich um 1622 entstanden, vermutlich im Zusammenhang mit dem Platzbedarf für die "Silberne Kanne". Es ist gesichert, dass im Jahr 1717 ein altersschwaches Rathaus durch einen Neubau nahe jener Stelle ersetzt wurde, wo heute noch der Verwaltungssitz ist. Auch dieses Haus musste 1890 wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Anschließend wurde bis 1892 das erste Teil des stattlichen Rathauses erbaut, welches noch heute an der Oberen Hauptstr. steht. Auch eine öffentliche Waage gehörte lange dazu. Der Verwaltungssitz wurde erstmals 1933 entlang der Rathausstraße erweitert, 1968 war die nächste Vergrößerung fällig und im Jahr 1989 wurde es schließlich durch einen Anbau bis hin zur Ottostr. erweitert. Dort wurde das Grundstück einbezogen, auf dem bis 1938 die Synagoge stand..

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7. Ortspläne, Stadtentwicklung , Straßen und Brücken

Der erste erhaltene Plan von Hockenheim aus der Zeit um das Jahr 1750 zeigt ein Straßendorf, dessen Bebauung in Nord-Süd-Richtung sich entlang der Hauptstrasse von der heutigen Kaiserstr. bis zum Beginn des Walldorfer Weges erstreckt, im Osten entlang des Dorfgrabens (Ottostr.) sowie am Heidelberger Weg fast bis zur heutigen Parkstraße und im Westen bis an den Mühlgraben. Ein einziges Gebäude stand damals jenseits der Kraich, nämlich der südliche Teil der erst Jahrzehnte später zum Doppelhaus erweiterten Zehntscheuer. Das Zentrum des Dorfes war wie heute noch die Straßenkreuzung am "Güldenen Löwen", der späteren "Fortuna". Heute steht dort die Sparkasse.

Aus diesem alten Stadtplan wird auch deutlich, dass in den etwa 1300 Jahren seit Hoggos Hüttenbau weniger neue Grundstücke erstmals bebaut wurden, als später, z.B. zwischen 1960 und 1970, in nur einem Jahrzehnt! Aus dem Jahr 1781 ist bekannt, dass es in Hockenheim 140 Häuser gab. Von einer vorausschauenden, steuernden Bebauungsplanung kann erst ab etwa 1880 die Rede sein, als der Ortsetter immer schneller wuchs und die großflächige Zersiedelung der Landschaft begann.

Auf Hockenheimer Gemarkung kreuzten sich früher die alten Routen in Richtung Paris/Prag bzw. Basel/Frankfurt, auf denen in fränkischer Zeit der Handelsverkehr stark zugenommen hatte. Als im Jahr 1462 das Bistum Speyer die Gemeinde Hockenheim an die Kurpfalz abtreten musste, wurde es erforderlich, an der neuen Landesgrenze eine Zollstation einzurichten. Das geschah bereits ein Jahr später im neuen Grenzort Hockenheim und zwar aus rein praktischen Gründen nicht an der schwer zu überwachenden Gemarkungsgrenze zu Lußheim, sondern nahe der uralten Furt durch die Kraich bzw. dem dort bestehenden "Poststeg" (später "Schulzebrigg") am Speyerer Weg (Karlsruher Str.). Am weiter südlich gelegenen Übergang "Schoofbrigg" am "Brettener und Bruchsaler Weg" (später "Kirrlacher Weg") wurde eine Nebenstelle geschaffen. Die in Hockenheim erhobenen Zölle wurden zu einer wichtigen Einnahmequelle für die kurpfälzische Kämmerei.

Die stark frequentierte Zollbrücke am Speyerer Weg war aus Holz und musste immer wieder repariert werden und wurde wohl schließlich durch ein Hochwasser weggerissen. Der Folgebau "iwwer die Bach" wurde um 1610 erstmals aus Steinen gebaut, überdauerte den 30-jährigen Krieg, um im Jahre 1674 von einer französischen Soldadeska zerstört zu werden. Wie sehr das Land damals danieder lag wird aus der Tatsache erkennbar, dass der Ersatzbau erst drei Jahre später fertig wurde und wieder aus Holz war. Nach starker Beschädigung im Jahr 1746, die das "größte Hochwasser seit Menschengedenken" verursachte, hatte die Kurpfalz erst im Jahr 1752 genügend Geld, um wieder eine Brücke aus Stein zu bauen, die dann rd. 120 Jahre ihren Dienst tat. Die Backsteine holte man übrigens aus den Ruinen des "Wersauer Schlosses" in Reilingen, die Steine für die Verblendung kamen wie seinerzeit hier üblich aus dem Steinbruch bei Rohrbach.

Auf der Nordseite wurde das schöne, zwei bogige Bauwerk ab 1755 gekrönt von einer Statue des "heiligen Nepomuk". Dieses Kunstwerk wurde seither mehrfach restauriert und, allerdings auf der Südseite, auch in die 1872 erbaute neue Betonbrücke integriert, die heute noch erhalten ist. Bei dieser Gelegenheit wurde die früher wesentlich tiefer liegende Auffahrt von der Karlsruher Str. her auf das heutige Niveau aufgefüllt. Die Nepomuk-Figur wurde in den 60er Jahren wieder auf die ursprüngliche Brückenseite gestellt.

Die am südlichen Ortsrand gelegene zweite Zollbrücke Richtung Reilingen /Bruchsal ("Schoofbrigg") wurde zunächst ebenfalls aus Holz errichtet und 1728 durch eine Steinbrücke ersetzt, deren Baumaterial auch vom Wersauer Schloss stammte. Das vorerwähnte Hochwasser brachte diese Brücke ganz zum Einsturz. Sie wurde erst viele Jahr später wieder aufgebaut und erreichte nie mehr die frühere Bedeutung.

Die heute benutzte Strasse nach Reilingen entstand erst im Jahr 1820. Damals wurde die "Holzrottbrücke" über die Kraich gelegt, heute bekannt als "stoohna Brigg". Mit dem Wachstum der Stadt wurden weitere Brückenbauwerke erforderlich und zwar nicht nur über die Kraich, sondern auch über beide Bahnlinien samt B 36 sowie über und unter den Autobahnen.

Wichtige und für die Karlsruher Str. stark entlastende neue Brücken entstanden in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts im Rahmen des Durchbruchs zwischen Schwetzinger Str. und Kaiserstraße und später entlang der neuen Bahnlinien.

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8. Freihöfe (vom Frondienst befreit), Mühlen und Gasthäuser

Zwar ist der "Untere Freihof" erst seit 1418 dokumentiert, bestand jedoch schon Jahrhunderte vorher und war bis weit in das 19. Jahrhundert hinein der wichtigste weltliche Gebäudekomplex Hockenheims. Er entwickelte sich sehr wahrscheinlich auf dem Gelände, wo einst Hoggo seine Hütten gebaut hatte und war auch der Stammsitz des früheren Ortsadels.

Die Hoffläche umfasste ursprünglich den Bereich nördlich und westlich des ältesten Friedhofs, welcher anfänglich die erste christliche Kapelle (heute "St. Christophorus") umschloss. Die Grenze des Anwesens lag entlang der heutigen Oberen Hauptstraße und Karlsruher Str. bis zur Bachbrücke, dessen Ufer entlang bis einschließlich der "Unteren Mühle" und schloss das ganze Gelände dazwischen ein. Es war herrschaftlicher Besitz und wurde "belehnt", also vom Landesherrn in Erbpacht gegeben. Die Haupteinfahrt zu diesem stattlichen Anwesen lag am Speyerer Weg (Karlsruher Str.). Genau gegenüber entstand im Jahre 1463 die kurpfälzische Zollstation, woraus später die erste Hockenheimer Polizeistation wurde.

Auf dem Gelände des "Unteren Freihof" wurden schon seit Menschengedenken Reisende und ihr Tross mit Speis, Trank, Bett, Viehfutter und Stall versorgt. Durch den Zollbetrieb stieg naturgemäß der Bedarf für solche Dienstleistungen und ein immer größerer Teil der vorhandenen Räumlichkeiten wurde für den Herbergsbetrieb benötigt, der auch die Umspannstation für die Postkutschen einschloss. Ein Erbpächter aus der bedeutenden Familie Engelhorn, welche lange Zeit den "Zoller" (Leiter der kurpfälzischen Zollstation) und oft auch den Schultheißen stellte, machte im Jahre 1622 Nägel mit Köpfen und eröffnete nach grundlegender Neugestaltung und Erweiterung die "Silberne Kanne" als erste Hockenheimer "Schildwirtschaft".

Diese, samt einigen Nebengebäuden, überstand als einziger größerer Komplex in Hockenheim den kriegsbedingten Brand anno 1644, wurde jedoch 30 Jahre später, im nächsten, noch verheerenderen Krieg, ebenso ein Raub der Flammen wie ganz Hockenheim. Kaum hatte man sich etwas erholt, erfolgten neue Brandschatzungen im Krieg 1688-1693. Hinzu kamen etliche Missernten. Nur wenige Hockenheimer waren danach noch am Leben.

Erst viele Jahre später wurde ein ordentlicher Aufbau des "Unteren Freihof" wieder machbar. Die neuen Pächter konnten das Hofgut später sogar kaufen und zeigten sich stets auf der Höhe der Zeit, wenn es darum ging, rentabel zu wirtschaften. So wurde dort das erste Postamt eingerichtet und bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Nebenzimmer der "Kanne" Stummfilme gezeigt. Viele Teilflächen des großen Hofgutes wurden im Laufe der Jahrhunderte verkauft und neu bebaut bzw. genutzt. Doch immer noch existiert das Hotel "Kanne", setzt die Jahrhunderte alte Tradition fort und bietet in modernen Räumen einen Abglanz früherer Bedeutung.

Der "Obere Freihof" war das zweite Erbpacht-Großbauerngut in Hockenheim. Er war nicht ganz so alt wie der "Untere" und erreichte auch nie dessen Bedeutung. Er bestand auf dem Gelände zwischen Oberer Mühlstraße, Oberer Hauptstraße, und Mittlerer Mühlstraße, zog sich bis zum Bachufer hinunter und schloss dort ursprünglich auch eine Getreidemühle sowie eine Hirsenmühle ein. Der gesamte Hof, einschließlich der inzwischen separat verpachteten Mühlen, wurde 1644 niedergebrannt und kümmerte etwa 60 Jahre dahin, bis neue Pächter wieder Leben auf die Fläche brachten. Spätere erneute Rückschläge führten schließlich zur Auflösung des Hofgutes durch Verkauf von Flächenteilen. In diesem Bereich wurde 1722 auch das erste eigene Gotteshaus der hiesigen Reformierten (heute "Lutherhaus") geweiht.

Beide Hockenheimer Freihöfe bewirtschafteten große Ackerflächen und brauchten deshalb eigene Getreidemühlen. Die "Untere Mühle" ist zwar erst im Jahr 1369 urkundlich erwähnt, dürfte jedoch die älteste Mühle auf unserer Gemarkung gewesen sein. Sie wurde 1644 und erneut 1674 niedergebrannt, immer wieder aufgebaut, mehrfach modernisiert und 1906 aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben. An ihrem Standort wurde dann eine "Dampfwaschanstalt" gebaut, die als "Großwäscherei Schütz" zu regionaler Bedeutung aufstieg und im Jahre 1974 stillgelegt und bald danach abgerissen wurde. Heute stehen dort Wohnblocks, vor deren Zufahrt ein Brunnen an die früheren Hockenheimer Waschfrauen erinnert.

Die "Obere Mühle" ist erstmals 1387 dokumentiert. Sie wurde 1661 in "Mittlere Mühle" umbenannt, weil die gleich gegenüber, auch am Mühlgraben, betriebene Hirsenmühle in eine normale Getreide-mühle umgewandelt worden war, welcher man ab dann die Bezeichnung "Obere Mühle" zuordnete. Die wechselnde Namensgebung ist nicht nur für Ortsfremde ziemlich verwirrend. Die "Obere Mühle" produziert bis 1910; als letzte stellte die "Mittlere Mühle" im Jahr 1962 den Betrieb ein.

Am wirtschaftlichen Erfolg der seinerzeitigen "Silbernen Kanne" erkannten bald andere Einheimische, dass mit Speis, Trank, Tanz, Herberge und Informationsaustausch gutes Geld zu verdienen ist. Daher war es nur logisch, dass über den ganzen Ort verteilt immer neue Wirtshäuser entstanden, die teilweise sogar ihr eigenes Bier brauten. Bei Verleihung der Stadtrechte im Jahr 1895 bestanden in Hockenheim mehr als zwei Dutzend Gaststätten für eine Bevölkerung von rd. 5.300 Menschen, eine bemerkenswert Pro-Kopf-Dichte, zumal fast nur Männer dort einkehrten.

Seither haben die veränderten Lebensbedingungen und -gewohnheiten zwar zu einem starken Rückgang der Traditionswirtschaften geführt, doch sind an ihre Stelle neue und vielfältigere Angebote getreten. Heute prägen ausländische Gastwirte, Cafes, Bistros und Eisdielen besonders in der Karlsruher Str. das Stadtbild und mehrere Hotels bieten Quartier.

Glücklicherweise und durch private Initiative steht heute noch das stolzeste unserer alten Gaststätten, der "Güldene Engel". Er entstand im Jahre 1690 zunächst als Patrizierhaus der weitbekannten Familie Engelhorn und beherbergte ebenso wie die "Kanne" so manchen prominenten Gast.

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9. Gute Zeiten und schlechte Zeiten

Nach der Eingliederung in die Kurpfalz im Jahre 1462 folgten viele friedliche Jahrzehnte, in denen sich Hockenheim stetig weiter entwickelte. Doch mit Beginn des 30-jährigen Krieges begann ab 1618 ein Zeitraum von fast 200 Jahren, der geprägt war von vielen verheerenden Kriegen und Seuchen. Als Folge wanderten Hunderte Hockenheimer aus, bevorzugt in die USA, aber auch nach Australien, Kanada, Brasilien, Ungarn, Russland und andere Länder.

Um das Jahr 1690 lebten nur noch wenige Alteingesessene unter erbärmlichsten Umständen in ihrem mehrfach ausgeplünderten und abgebrannten Dorf. Die ganze Kurpfalz sah ähnlich aus. Als die Lage durch verheerende Missernten anno 1675 und 1679 völlig verzweifelt wurde, kam es in der Region sogar zu mehreren Fällen von Kannibalismus

Erst als vermehrt Einwandererfamilien in Hockenheim ansässig wurden, erholte sich das Dorf allmählich wieder. Doch die Früchte von Fleiß, Bescheidenheit und Sparsamkeit wurden in immer neuen Kriegen geraubt oder vernichtet. Flurnamen wie "Dänisches Lager" ("Dänischallee" seit 1734) zeugen heute noch vom Aufenthalt bzw. Durchzug von Soldaten bzw. Söldnern aus aller Herren Länder. Gleichgültig ob sie Verbündete oder Feinde waren, sie mussten sich jeweils aus der Region ernähren und holten sich von der örtlichen Bevölkerung oft mit Gewalt, was sie zum Leben brauchten und noch mehr.

Bedingt durch hohe Geburtenraten stieg die Zahl der Einwohner ab etwa 1695 trotz schwierigster Lebensbedingungen langsam wieder an, weshalb die Bautätigkeit zunahm. Glücklicher Weise war es als Folge der Reformation leichter möglich, privaten Grundbesitz zu erwerben und so entstanden damals neue Gebäude in Verlängerung von Hauptstr., Walldorfer Weg, Heidelberger Weg, Schwetzinger Weg und Hirschstraße. Langsam erhielt so der Ortsetter eine rundere Form und der Charakter als Straßendorf verschwand zunehmend. Der Platzbedarf für Neubauten wurde größer, denn man legte Wert auf mehr Wohn- und Nutzfläche nicht nur im Haupthaus, sondern auch in den Werkstätten, Schuppen, Ställen, Scheunen und Gärten dahinter. Auch die zumindest teilweise Unterkellerung wurde üblich, was das Bauen mit Steinen zunehmend zur Norm machte.

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10. Gotteshäuser

Wo heute das katholische Gemeindezentrum "St. Christophorus" steht wird seit Hoggos Zeiten Gottesdienst gehalten. Das erste Kirchlein entstand dort wohl schon bald nach der Christianisierung der Franken, deren König Chlodwig I. sich im Jahr 496 taufen ließ. Es wurde zum Zeichen des Triumphes des neuen Glaubens über der früheren heidnischen Opferstelle erbaut. Weil Holz das Baumaterial der kleinen Kapelle war und weil sie bald zu klein wurde oder abbrannte, musste sie wohl mehrfach und immer etwas größer ersetzt werden.

Erstmals urkundlich erwähnt wird eine Hockenheimer Pfarrkirche im Jahr 1364. Gesichert ist 1490 auch der Baubeginn einer Kirche in gotischen Stil an gleicher Stelle "inmitten des Gottesackers". Der untere, breite Teil des damals errichteten Kirchturms steht heute noch und ist das älteste erhaltene Bauwerk unserer Stadt. Im Jahr 1644 wurde diese Kirche niedergebrannt. Der seitdem baufällige obere Teil des Turmes stürzte 1650 auf das notdürftig hergerichtete Langschiff und zerstörte es weitgehend. Erneute Reparaturen wurden mehrmals hinfällig gemacht durch Blitzschlag und Soldaten. Fast 130 Jahre lang glich der Bau mehr einer Ruine als einem Gotteshaus. Erst um 1780 war die grundlegende Erneuerung möglich.

Das Fürstenhaus der "Pfalzgrafen bei Rhein" war eines der ersten im Reich, welches der Reformation folgte. Leider waren die verschiedenen Kurfürsten unterschiedlicher Ansicht, ob den Lehren Luthers ("Lutheraner") oder Calvins ("Reformierte") zu folgen sei und so regierte einmal diese, dann jene Glaubensgemeinschaft. Gemäß damaligem Recht hatten alle Untertanen dem Entschluss des Herrschers jeweils zu folgen und taten dies auch mit mehr oder weniger Überzeugung gemäß dem Grundsatz "Wes´ Brot ich ess´ , des´ Lied ich sing´". Mit den Gläubigen wurde jeweils auch das hiesige Gotteshaus neu ausgerichtet, so dass es ab 1556 wechselnden protestantischen Glaubens-richtungen diente. Schließlich starb diese Linie der Wittelsbacher aus und ab 1685 kam die Neuburger Linie an die Macht und die war katholisch geblieben. Der Versuch des neuen Kurfürsten, jetzt alle Untertanen wieder Rom zuzuführen, scheiterte an heftigem Widerstand, sodass letztlich Glaubens-freiheit gewährt werden musste.

Während der Gegenreformation, dem 30-jährigen Krieg und durch Zuwanderung nahm nach und nach die Zahl der Katholiken in der Kurpfalz wieder zu. Im Rahmen einer landesweiten Neuordnung erhielten sie die alte Kirche in Hockenheim wieder zurück und die Reilinger Katholiken wurden dieser Pfarrei zugeordnet. Im Gegenzug mussten die Hockenheimer Reformierten zum Gottesdienst jeweils nach Reilingen laufen. Die beiden Gruppen werden sich wohl so manches Mal unterwegs begegnet sein, was zumindest verbal nicht immer friedlich verlaufen sein dürfte.

Den betroffenen Gemeindemitgliedern war dieser Zustand natürlich sehr zuwider und so setzten sie trotz großem Geldmangel alles daran, wieder eigene Kirchen bauen zu können. Im Jahr 1722 war es endlich soweit, dass die Hockenheimer Reformierten ein neues Gotteshaus in der "Hollergaß" (Mittlere Mühlstr.) weihen konnten. Es muss allerdings ein ziemlich notdürftiger Bau gewesen sein, denn er musste schon 1750 wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Doch der Neubau einer stabilen, angemessenen Kirche an gleicher Stelle wurde bald danach fertig, 1757 kam ein Glockenturm hinzu. Der Bau wurde zeitweise auch den Lutheranern und sogar den Katholiken (1814-1819) zur Verfügung gestellt, was für eine Entspannung der Lage zwischen den Konfessionen spricht. Das Gotteshaus wurde mehrfach vergrößert und diente der ab 1821 endlich vereinigten evangelischen Gemeinde als Stadtkirche. Als die neue, wesentlich größere Kirche im Jahr 1907 fertig war, wurden die alten Räumlichkeiten zum "Lutherhaus" umgestaltet und von der Gemeinde ab 1908 als Schule, Kindergarten, Sozialstation und für Veranstaltungen genutzt. Hundert Jahre später war eine grundlegende Renovierung und Neugestaltung notwendig und nach einem finanziellen Kraftakt ist das Haus seit dem Jahr 2008 wieder ein Fixpunkt der Evangelischen und der Innenstadt.

Schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde immer deutlicher, dass beide große christliche Gemeinden wegen der rasch wachsenden Zahl der Gemeindemitglieder größere Kirchen brauchten. Schon als der stadtnahe Friedhof 1880 geschlossen wurde, hatte einige Herren der Verwaltung im Hinterkopf den Plan, nach angemessener Ruhezeit dieses Gelände für Kirchenbauten kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Die Evangelischen griffen zu und erbauten die "Christuskirche", welche seit 1907 mit einer Kombination aus Neubarock und Jugendstil einen Blickfang darstellt und den jetzigen Marktplatz beherrscht. Sie ist ein eher filigraner Bau, der bei aller Würde auch Leichtigkeit ausstrahlt. Nahebei entstand kurz danach das zugehörige Pfarrhaus.

Den Katholiken gefiel der von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Standort nicht so gut, möglicherweise deshalb, weil sich beide Kirchen direkt gegenüber gestanden hätten. So war es für sie geradezu ein Zeichen des Himmels, als gegenüber ihrer alten Kirche ein Gasthof abbrannte und der Platz günstig zu erwerben war. Zusammen mit bereits im Eigentum der Kirche stehenden benachbarten Grundstücken war damit ein ausreichend großer Platz vorhanden, um die "St.-Georgs-Kirche" zu bauen, welche 1911 eingeweiht werden konnte. Sie ist ein mächtiger, strenger Bau, der die Innenstadt überragt und auch heute noch wegen seines fast reinen Jugendstils das Interesse vieler Fachleute findet. Das benachbarte Pfarrhaus ist schon einige Jahre älter. In der Gartenmauer davor, nahe der zentralen Straßenkreuzung, war früher der Eingang zu einem großen Eiskeller. Dieser gehörte zu der Brauerei, die ehemals zwischen der "Fortuna" und dem "Güldenen Engel" bestand.

Beide Kirchenbauten erforderten planerische und finanzielle Kraftakte. Obwohl ein erheblicher Teil der Kosten von den Amtskirchen übernommen wurden, nötigt es doch auch heute noch großen Respekt ab, dass doch verhältnismäßig kleine Gemeinden die hier verbleibenden Belastungen tragen konnten. Bei der Verteidigung unserer Stadt im Jahr 1945 wurden auf beiden Kirchtürmen Artilleriebeobachter stationiert. Deren Beschießung durch die Amerikaner führte zu erheblichen Kriegsschäden, deren Beseitigung so manche Mark erforderte. Zusammen mit dem Wasserturm bilden die beiden Kirchtürme eine einzigartige Silhouette, bei deren Anblick das Herz jedes heimkehrenden Hockenheimers höher schlägt.

Aus der alten Stadtkirche wurde zunächst die "Festhalle", welche bis zur Fertigstellung der Stadthalle für öffentliche Veranstaltungen aller Art genutzt wurde und danach umgestaltet zum Gemeindezentrum "St. Christophorus".

Als weiteres Gotteshaus ist eine frühere Kapelle auf dem Insultheimer Hof zu erwähnen, die 1885 im Zusammenhang mit dem Bau des neuen Verbindungsweges nach Hockenheim abgetragen wurde.

Bereits seit dem Jahr 1835 gab es in Hockenheim eine Synagoge der jüdischen Gemeinde. Sie stand an der Ottostraße, hinter dem damaligen Rathaus. Das Gebäude wurde im November 1938 von fanatischen Nazis nieder gebrannt. Es war ein Tag der Schande für unsere Stadt.

Ab etwa 1850 entwickelte sich auch in Hockenheim die "Evangelische Gemeinschaft". Aus häuslichen Bibelkreisen wuchs sie zu einer Gemeinde heran, die ihre Gottesdienste seit dem Jahr 1908 in einem eigenen Haus an der Luisenstraße abhält. Dort wird auch noch die Tradition der "Sonntagsschule" gepflegt.

Im Jahr 1884 bezog die "Evangelische Methodistische Gemeinde" ihr erstes Hockenheimer Gotteshaus am "Storchengäßl´ " (Untere Mühlstr. 7). Mehrere Erweiterungen wurden dort im Laufe der Jahre getätigt, insbesondere für eine Pastorenwohnung und Räume für die hoch angesehene "Sonntagsschule". Auch dieses Gelände wurde zu klein, sodass Neubauten unausweichlich wurden. Eine ungewöhnlich große Spendenbereitschaft und umfangreiche Eigenleistungen der Gemeindemitglieder waren erforderlich, damit im Jahr 1959 am Karl-Benz-Platz ein neuer Kirchenbau, angebauten Gemeinschaftsräumen, freistehendem Glockenturm und ein Pastorat ihrer Bestimmung übergeben werden konnten.

Die jüngste christliche Gemeinschaft Hockenheims, die "Neuapostolische Kirche", weihte ihr erstes hiesiges Gotteshaus im Jahr 1966 an der Oberen Mühlstraße. Im Jahr 2002 konnte der notwendig gewordene Kirchen-Neubau eröffnet werden, welcher jetzt den Eingang zum Neubaugebiet "Biblis" prägt.

Im Jahre 2000 wurde als erstes islamisches Gotteshaus auf Hockenheimer Gemarkung die ansehnliche Moschee im Gewerbegebiet "Talhaus" ihrer Bestimmung übergeben.

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11. Friedhöfe

Auch die Friedhöfe zeugen von der Entwicklung von der Ein-Familien-Hütte zur "Großen Kreisstadt". Stadtgründer Hoggo und die ersten Generationen seiner noch heidnischen Nachfahren wurden nicht allzu weit von ihren Hütten begraben, nahe dem Opferstein für die Götter. Als später zum Zeichen des Triumphes des Christentums das erste Kirchlein über dieser Stelle der Götzenverehrung errichtet war, lag der Friedhof direkt daneben auf nunmehr geweihtem Boden, dem Gelände um die spätere Stadtkirche.

Da nach der Reformation die Konfessionszugehörigkeit des Kurfürsten und damit zwangsweise aller Kurpfälzer mehrfach wechselte, wurden auf diesem alten Gottesacker Christen aller Konfessionen beerdigt. Im Laufe der Zeit war dieser Friedhof, der nicht erweitert werden konnte, so stark überbelegt (zum Schluss lagen bis zu drei Särge übereinander), dass unbedingt eine andere Fläche benötigt wurde. Man entschied sich für ein Gelände im freien Feld und baute eine Mauer drum herum. Heute wird es umgrenzt von Heidelberger- (Haupteingang), Park-, Luisen- und Kirchstraße. Auch dort wurden die Verstorbenen der damals vorhandenen drei christlichen Konfessionen begraben, noch für Jahrzehnte allerdings strikt getrennt nach Lutheranern, Reformierten und Katholiken.

Doch schon rd. 120 Jahre später war auch diese Fläche zu klein und zudem der Erweiterung des Ortsetters im Wege. So begann man ab 1880 weit draußen vor der Stadt auf einem gerodeten Wald-stück den neuen "Gottesacker" zu schaffen, auf dem noch heute die meisten Hockenheimer ihre letzte Ruhestätte finden. Gleichzeitig entstand erstmals ein Friedhof für die jüdischen Mitbürger, welche vorher ihre Verstorbenen immer auswärts auf separaten Zentralfriedhöfen begraben mussten.

Man war sich sicher, diesmal einen Standort gefunden zu haben, wo die angemessene Stille herrschte und in dessen Nähe nie gebaut werden würde. Beides erwies sich als Fehleinschätzung, denn im Jahr 1932 wurde fast zeitgleich der Waldfriedhof auf seine jetzige Größe erweitert und an seinen beiden Schmalseiten waren erstmals die Motoren von Motorrädern zu hören, die auf der neu eröffneten Rennstrecke dröhnten. Und mit der Bebauung des Birkengrunds ab dem Jahr 1960 rückte die Bebauungsgrenze der Stadt bis an die nördliche Umfassungsmauer heran.

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12. Vom großen Dorf zur kleinen Stadt

Schon 1786 wurde unsere Gemeinde als "großes Dorf in der Kurpfalz" erwähnt und als Hockenheim im Jahre 1803, bedingt durch die Bündnispolitik Napoleons, dem Großherzogtum Baden zuge-schlagen wurde, war es dessen größte Landgemeinde. Drei Jahre später kam noch das Gelände des Insultheimer Hofes hinzu. Die ungewöhnliche Flächenausdehnung war ein gewichtiges Argument für die Erhebung Hockenheims zur Stadt im Jahre 1895. Die Angliederung des Gewann "Biblis" im Jahr 1929 bedeutete die letzte große Gemarkungserweiterung auf insgesamt fast 3.500 Hektar.

In der langen Friedenszeit, die dem Ende der napoleonischen Kriege im Jahr 1815 folgte, wuchs die Zahl der Einwohner Hockenheims immer schneller und damit auch der Bedarf an Wohnraum und Arbeitsplätzen. Die im Jahr 1835 dokumentierten 220 Bauernhöfe am Ort konnten kaum ihre Betreiber ernähren, geschweige denn viele dauerhafte Arbeitsplätze bieten.

Vieles hatte sich schon geändert, nicht aber der alte fränkische Rechtsbrauch der Realteilung für landwirtschaftlich genutzte Flächen beim Tode des Besitzers. So wurden die Äcker von Generation zu Generation schmaler und die Grundfläche der einzelnen Bauernhöfe immer kleiner. Nach schlechten Ernten war für viele Menschen Hunger der Küchenmeister. Zwar musste keiner mehr verhungern, wie in früheren Zeiten, doch wo sollte das Geld herkommen für dringend benötigten zusätzlichen Wohnraum und andere Anschaffungen? Wieder sahen sich viele Menschen aus purer Not gezwungen, ihr Glück anderswo zu suchen und wanderten aus. Andere dagegen wurden zwangs-weise hier sesshaft gemacht, wie der Bau der "Siedlung" beweist, die um 1860 ziemlich weit weg vom damaligen Ortsrand gebaut wurde.

Die wirtschaftliche Situation in unserer Region verbesserte sich langsam erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. Hockenheim erlebte damals eine erste Industrialisierungswelle, denn es wurde in wenigen Jahren zum Standort von bis zu 17 größeren Zigarrenfabriken. Hinzu kamen Dutzende Familienbetriebe. In den besten Zeiten fanden bis zu 19 % der Gesamtbevölkerung (nicht der Berufstätigen!) in dieser Branche Arbeit, meist Frauen.

Den Durchbruch für die Arbeit suchender Männer brachten erst zahlreiche neue Fabriken, die damals zwischen Rheinau und Neckarau entstanden. So mancher Taglöhner lief anfangs fast täglich zu Fuß dorthin, um in paar Groschen zu verdienen. Als jedoch im Jahr 1870 die Rheintalbahn fertig wurde, war der Weg zur Arbeit bald für viele Hockenheimer kein großes Problem mehr. Zwar lag der Bahnhof fast zwei Kilometer vom Stadtmittelpunkt entfernt, doch das war völlig nebensächlich für Menschen, die ihr Leben lang nahezu alle Weg zu Fuß zurücklegten. Selbst der zweite Bahnhof auf unserer Gemarkung, die 1898 eröffnete Station "Talhaus", an der "Eselsbahn" von Schwetzingen nach Speyer gelegen, war zu Fuß oder später mit dem Fahrrad gut erreichbar. Neben den großen Fabriken bei Mannheim boten auch die Reichsbahn, die Post, neue örtliche Einzelhandels-, Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe sowie "der Staat" gesuchte Arbeitsplätze.

Im 1871 neu entstandenen Deutschen Reich herrschte bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs eine Aufbruchstimmung und ein Wirtschaftswachstum wie nie davor oder danach in unserem Land. Die Dynamik jener Zeit dokumentiert sich auch in der Entwicklung des öffentlichen und sozialen Lebens in Hockenheim, belegt durch die Gründung zahlreicher Gesangs- und Sportvereine, der Freiwilligen Feuerwehr, politischen Parteien sowie Organisationen verschiedenster Art. Die Bürgerschaft konnten sich u.a. ein neues Rathaus, mehrere Schulen, ein Feuerwehrgerätehaus, das Gaswerk, befestigte Straßen mit Beleuchtung, und die zentrale Wasserversorgung leisten.

Die Einweihung eines Kriegerdenkmals an der Fortuna-Kreuzung am 21.06.1896, an welcher der Großherzog von Baden teilnahm, bescherte unserer Stadt einen der bisher größten Festtage seiner Geschichte. Das Denkmal steht heute nahe dem Ehrenmals auf dem Waldfriedhof.

Seinerzeitige Neubauaktivitäten in Richtung Bahnlinie betrafen in erster Linie Dienstleister wie Apotheke, Druckerei, Post, Sparkasse, Volksbank, Arztpraxis, Autowerkstätte, Tankstelle, Kino und Gasthäuser. Sie waren Teil des ab etwa 1875 rasch expandierenden Hockenheimer Ortsetters. Nicht nur Handwerker, Händler und Dienstleister brauchten mehr Raum, sondern zunehmend auch "der einfache Mann" bis hin zum Taglöhner. Als ehrbar bekannten Einkommensschwachen sowie Kinder-reichen vermittelte die Stadt verbilligte Baugrundstücke, auf denen mit viel Eigenleistung meist bescheidene Häuser entstanden. Daneben wurden Maurermeister und andere Risikofreudige als erste Bauträger aktiv.

Im Rahmen einer systematischen Planung, Vorläufer späterer Flächennutzungspläne, wurde die Bebauung verstärkt vom Rathaus aus gesteuert. Das Aussehen ganzer Straßenzüge wurde so geplant und es entstanden lange Reihen gleichförmiger und trotzdem hübscher und praktischer Häuschen. Meist gut gepflegte Exemplare sind heute noch vielfach zu sehen, insbesondere entlang der Heidelberger-, Schul-, Ziegel- und Oberen Hauptstraße.

Die fast immer mit der Schmalseite zur Straße ausgerichteten Bauten sind zumindest teilweise unterkellert, darauf steht das Erdgeschoss und ein ausgebauter Spitzgiebel. Auf den großen Grund-stücken dahinter entstanden Schuppen, Werkstätten, Waschküchen und Ställe für Hühner, Ziegen ("die Kuh des kleinen Mannes") und Schweine und bei den zahlreichen Nebenerwerbslandwirten sogar Scheunen. Zudem war noch Platz für größere Hausgärten. Viele dieser für die Kurpfalz typischen Häuser wurden nach dem 2. Weltkrieg aufgestockt und bei dieser Gelegenheit meist "quer zur Straße" gestellt, wodurch das früher geschlossene Erscheinungsbild der Straßenzüge verloren ging.

Entscheidend für den seinerzeitigen Bauboom war, dass durch die rasche Industrialisierung viele Arbeitsplätze entstanden, wodurch erstmals regelmäßige Einkommen in die Haushalte der "einfachen Leute" kamen. Auf diese Weise waren plötzlich oft mehrere "Verdiener" in Familien vorhanden, die vorher immer mehr schlecht als recht von der Hand in den Mund gelebt hatten.

Die Expansion der Bebauungsfläche Hockenheims gegen Ende des 19. Jahrhundert ging in alle Himmelsrichtungen vonstatten, zunächst insbesondere entlang der Hauptstrasse, sowie der Heidelberger- und der Walldorfer Straße. Die Hirschstraße wurde bis zur Schwetzinger Straße verlängert und Seitenstraßen Richtung Osten entstanden. Damals wurde die "Siedlung" endlich dem Ortsetter angegliedert. Die Aufgabe des Friedhofs an der Heidelberger Straße ermöglichte zudem die Verlängerung von Rathaus- und Luisenstraße, was ab Anfang des 20. Jahrhunderts das Signal zur Bebauung der Flächen südlich der Heidelberger Straße war.

Die vorher sehr bäuerlich geprägte Hauptstr. und zunehmend auch die Karlsruher Straße wurden durch Neu- und Umbauten immer mehr zu Einkaufsstrassen, eine Entwicklung, die später auch andere zentrumsnahe Strassen mit machten. Aufgrund geänderter Einkaufsgewohnheiten ist seit einigen Jahren eine teilweise Umkehr dieser Entwicklung nicht nur in Hockenheim zu beobachten.

Während des ersten Weltkrieges flaute die Bautätigkeit stark ab, doch zwischen 1920 und 1940 wurden wieder vermehrt neue Baugebiete erschlossen, insbesondere Richtung Wasserturm und Bahnhof. Walmdächer, wie sie heute noch vielfach in der Goethestraße und Beethovenstraße zu sehen sind, waren typische Bauelemente jener Zeit. Andererseits entstanden erstmals auch Reihenhäuser wie z. B an der Zähringerstraße und der Karlstraße.

Besonders bemerkenswert sind die Leistungen der Mitglieder der Baugenossenschaft "Selbsthilfe", die ab 1923 mit weitgehenden Eigenleistungen erste Reihenhäuser zwischen Jahn-, Luisen- und Körnerstraße zwecks Selbstnutzung hoch zogen. Auch die Stadt selbst ließ in jenen Jahren im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus große Mehrfamilienhäuser an der Luisenstraße bauen.

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13. Energie- und Wasserversorgung

Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts hatte in Hockenheim wie fast überall jeder Bürger selbst für Wasser, Abwasser und Wärme zu sorgen. Dementsprechend waren die Verhältnisse geprägt durch Mangel an allen Ecken und Enden und heutzutage unvorstellbare Gegebenheiten. Insbesondere die sanitären Verhältnisse waren von alters her Grund für Seuchen, viele Krankheiten, frühen Tod und insbesondere hohe Kindersterblichkeit.

Erst als durch die lange Friedensperiode ab 1871 und die Industrialisierung unserer Region Geld nicht nur in private, sondern auch öffentliche Haushalte floss und neue technische Lösungen entwickelt waren, änderte sich das langsam. Doch es dauerte Jahrzehnte, bis es selbstverständlich wurde, den Hausbrunnen (oft nicht weit vom "Puhlloch" entfernt) stillzulegen und an das vorhandene Leitungs-system nicht nur die Küche, sondern auch das Plumpsklo anzuschließen. Neubauten mit Bädern zu versehen, wurde erst in den dreißiger Jahren selbstverständlich.

Die zentrale Versorgung mit Energie und Wasser begann in Hockenheim im Jahr 1902 mit der Eröffnung des städtischen Gaswerkes, welches auf Koks-Basis arbeitete. Dieser Versorger, Ursprung der heutigen Stadtwerke, lag am Ende der Karlsruher Str., gleich rechts hinter dem Bahnübergang. Die Gasrohre wurden unter den Straßen verlegt und in wenigen Jahren waren weite Teile von Hockenheim vernetzt. Die wichtigsten Straßen erhielten Gehwege, welche meist sogar gepflastert wurden, die Laternen wurden auf Gas umgestellt und für die Karlsruher Straße fiel sogar eine schöne Linden-Allee ab. Qualitäts- und Druckprobleme bewirkten, dass der Gasabsatz hinter den Erwartungen zurückblieb. Das änderte sich im Jahr 1963 mit der Umstellung auf Erdgas grundlegend. Wo früher das Gaswerk stand, fahren heute Züge.

Kaum war die Großinvestition "Gaswerk" finanziell halbwegs verdaut, als im Gemeinderat der Beschluss für eine zentrale Wasserversorgung fiel. Die Kanalisationsarbeiten sowie der Bau eines Wasserwerkes am Wandrand (heute als "Pumpwerk" eine regional bekannte Kulturstätte) sowie des Wasserturms (heute das Wahrzeichen der Stadt) begannen 1908. Zwei Jahre später war der erste Teil des Systems einsatzbereit und sorgte langsam aber sicher dafür, dass in ganz Hockenheim das Wasser aus Hähnen floss und nicht mehr mühsam aus Brunnen oder vom Bach geholt werden musste.

Die Abwasser-Entsorgung war besonders problematisch. Ursprünglich wurde es oberirdisch direkt in den Kraichbach geleitet, später wurden zunehmend Rohre verlegt. Als Neubauten immer weiter weg vom Bachbett entstanden, löste man das Problem vor Ort durch "Puhllöcher" (Jauchegruben), deren Inhalt im Sandboden versickerte bzw. zum Düngen von Gärten und Feldern verwendet wurde. Die letzten wurden erst in den 60er Jahren geschlossen.

Die Lösung dieses Problems begann bald nach Ende des 1. Weltkrieges durch systematische Verlegung entsprechender Rohre unter die Straßendecken. Hauptnachteil dieser Lösung war, dass das gesamte Abwasser nunmehr im Kraichbach landete. Als Folge verschlechterte sich dessen Wasserqualität immer mehr, Geruchsbelästigungen nahmen zu, der Fischbestand verschwand. Abhilfe brachte das Jahr 1968, als ein Klärwerk am Ortsrand seiner Bestimmung übergeben werden konnte, welches bereits 1979 erheblich vergrößert werden musste.

Gekrönt wurde die Versorgungssituation der Bürger, als ab dem Jahr 1921 mit der systematischen Elektrifizierung begonnen wurde, die im Jahr 1938 abgeschlossen war. Damals entstanden auch erste Verkabelungen für Telefonverbindungen und Radio, welche in jüngerer Zeit durch Hochleistungskabel für Fernseh- und Internetanbindung ergänzt bzw. ersetzt wurden

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14. Schulen, Kindergärten und Kindergrippen, Gesundheitswesen

Als erster Vorgänger heutiger Schulen in Hockenheim ist um 1550 eine lutherische Katechismus-schule entstanden. Später wurden dort auch Kirchenlieder gelehrt, dann kam das Lesen dazu und ab etwa 1600 auch ein Schmalspur-Schreibunterricht. Die Reformierten zogen bald nach, die Katholiken konnten erst ab 1655 aktiv werden. Vom Jahr 1830 an durften die jüdischen Kinder keinen eigenen Unterricht mehr erhalten, sondern mussten die katholische Schule besuchen. Das hatte zur Folge, dass viele Juden abwanderten. Als Standorte der Konfessionsschulen werden im Jahr 1839 Räume in der "Hollergaß" (ev.) bzw. "Im Dorfgraben"(kath.) genannt.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Baden die allgemeine Schulpflicht eingeführt und im Jahr 1876 traten an die Stelle konfessionellen Lehranstalten die simultan ausgerichteten "Volksschulen" sowie regionale Gymnasien (Schwetzingen), später Berufsschulen (Mannheim). Da in jener Zeit auch die Zahl der Kinder stark anstieg, entstand ein dringender Bedarf an neuen Schulen. Er wurde zügig gedeckt durch Bauten in der Hirschstraße (1880), auf den Eckgrundstücken Parkstraße/Heidelberger Straße (1890) und Heidelberger/Hirschstraße (Uhlandschule, 1895), sowie an der Heidelberger Straße (Pestalozzischule, 1911).

Die Bebauung des heutigen Schulzentrums zwischen Messplatz und Schwimmbad begann 1965. Heute sind dort in fünf Schulen nahezu alle Schulformen vertreten, wo Hunderte junger Menschen aus Hockenheim und Umgebung eine gediegene Ausbildung erhalten.

Hinzu kamen Grundschulen in neuen Wohngebieten.

Als ab Mitte des 19.Jahrhunderts immer mehr Mütter berufstätig wurden, entstand ein Bedarf an Kindergärten und -krippen. Bald nahmen die Kirchengemeinden sich des Problems an und richteten entsprechende Räumlichkeiten ein.

Die evangelischen Kinder gingen zuerst in die Ottostraße 1, ab 1908 ins Lutherhaus, wo gleichzeitig eine Kindergrippe dazu kam. Diese Einrichtungen wurden im Jahr 1962 in die Karlstraße verlegt. Die gleichen Leistungen bot die katholische Kirche ihren Kindern zunächst im "St. Elisabeth" in der Hirschstraße, ab 1958 im neuen Kindergarten an der Schubertstraße.

Heute bestehen in Hockenheim insgesamt 8 Kindergärten, deren Träger die Stadt (3), die beiden Konfessionen (je 2) sowie die "Lebenshilfe" sind.

Im Jahr 1480 wird in Hockenheim erstmals ein Mann mit der Berufsbezeichnung "Bader" dokumentiert, der auch medizinische Hilfe anbot. Hauptberuflich war er Barbier und Landwirt. Erste Praxisräume in der "Kirchgaß" (Untere Mühlstr.) werden 1561 erwähnt. Deren Betreiber war wahrhaftig ein Multitalent, denn neben Arzt, Zahnarzt und Apotheker war er zusätzlich Bader, Bademeister, Landwirt, Schultheiß und zeitweise sogar "Zentgraf" (Steuereintreiber). Ein weiterer "Doktor" ("Chyrurg" und Landwirt) war ab etwa 1720 am Ort tätig.

Zwar scheint es auch in früheren Jahrhunderten eine gewisse Konstanz der medizinischen Betreuung gegeben zu haben, moderne Mediziner eröffneten jedoch erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Praxen und sorgen heute für eine umfassende Betreuung der Bevölkerung.

Dem vorerwähnten Kindergarten "St. Elisabeth" wurde im Jahr 1928 eine Entbindungsstation angegliedert, in welcher ganze Generationen von Hockenheimern das Licht der Welt erblickten. Sie wurde ab 1959 vergrößert und modernisiert und bis in die 80er Jahre betrieben. Auch ein Altenheim war in dem Gebäude untergebracht. Die moderne Nachfolgerin dieser Einrichtung wurde 1986 im Ebertpark an der Karlsruher Str. eröffnet.

Eine weitere medizinische und soziale Einrichtung für unsere Bevölkerung kam ab 1949 in Form des städtischen Krankenhauses an der Ecke Park-/Rathausstraße hinzu. Es ging 1980 in die Regie des Landkreises über und wurde hauptsächlich als geriatrische Klinik genutzt. In den letzten Jahren wird diese Einrichtung von privaten Betreibern weitergeführt.

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15. Mobilität durch neue Verkehrswege

Die Anbindung an moderne Verkehrsmittel begann in unserer Stadt mit der Eröffnung des Bahnhofs an der Rheintalbahn im Jahr 1870. Das hatte zur Folge, dass der Zugang in das Tiefgestade im wesentlichen auf drei Stellen reduziert wurde, nämlich den Bahnübergang an der Karlsruher Straße, die Unterführung in Verlängerung des Tiefen Weges und die Überführungsbrücke Richtung Talhaus / Ketsch.

Die westliche Umgehungsstrasse, heute B 36, wurde 1933 fertig. Zwischen beiden Verkehrsadern lag ein Geländestreifen der bald großenteils gewerblich genutzt wurde. Südlich des Bahnübergangs an der Karlsruher Straße entstand ein großes Sägewerk und in den 70er Jahren mehrere Autohäuser. Nördlich stand das Gaswerk, daneben ein Bauernhof sowie ein Kraftfutterwerk samt Hallen und Silos eines alteingesessenen früheren Mühlenbetreibers. Alle diese Gebäude samt einigen Wohnhäusern mussten ab 1980 weichen, als die neue Schnellbahntrasse gebaut und die alte Rheintalbahn sowie die auf vier Spuren verbreiterte B 36 unmittelbar daneben gelegt wurden.

Als Zugewinn für Hockenheim konnte 1986 ein neuer Bahnhof samt Parkplätzen seiner Bestimmung übergeben werden. Südlich davon entstanden Standorte für mehrere Vollversorger und Richtung Norden wurde Gelände frei für eine lang gezogene Parkanlage, auf welcher im Jahr 1991 eine Landesgartenschau abgehalten wurde. Seither sorgt ein engagierter Verein von Bürgern in Zusammenarbeit mit der Stadt dafür, dass diese schöne Fläche erhalten bleibt. In das Gelände eingebettet liegen der Park- und Kindergarten, die großzügig bemessene Anlage des Tennisclubs und eine Kleingolfanlage.

Der Neubau der Autobahn A 6 von Mannheim zum Walldorfer Kreuz hatte ab 1960 erhebliche Konsequenzen für Hockenheim. Als Folge musste die Rennstrecke völlig umgestaltet werden. Hinzu kam im Jahr der Neubau der A 61 Richtung Speyer, die im "Dreieck Hockenheim" mit der A 6 verbunden wurde und wofür im Norden der Gemarkung ein hoher Damm aufgeschüttet werden musste.

Nachteile dieser Entwicklung sind große Verluste an Wald und landwirtschaftlicher Fläche, die enge Umklammerung unsere Stadt durch Verkehrsadern an drei Seiten und die dadurch bedingte starke Lärmbelästigung. Vorteile für die Bürger bringen die sehr gute und moderne Verkehrsanbindung sowie ein schöner Baggersee, der von Spaziergängern gern genutzt und von einem Angelverein betreut wird.

Eine Kehrseite der allgemeinen Mobilität: fast jeder hat ein Auto und tätigt viele Einkäufe in den Konsumtempeln "auf der grünen Wiese" oder in der nächsten Großstadt. Als Folge werden die meist kleinräumigen Ladenlokale in mittleren Städten wie Hockenheim geschlossen, wodurch die Innenstädte zu veröden drohen.

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16. Rennstrecke und andere Sportstätten

Die Rennstrecke entstand im Rahmen der "wertschaffenden Arbeitslosenfürsorge" während der Weltwirtschaftskrise. Heute würde man das als "ABM-Maßnahme" bezeichnen. Sie wurde 1932 eröffnet und machte Hockenheim seither weltbekannt. Die Strecke war ursprünglich nur für Motorradrennen geplant, wurde jedoch durch mehrere grundlegende Umbauten zur heutigen Multifunktionsanlage, dem "Motodrom". Auf Einzelheiten wird hier nicht eingegangen, weil dazu umfangreiches Infomaterial vorliegt.

Der HSV, 1886 gegründet, war der erste Hockenheimer Sportverein. Nachdem seine früheren Sportanlagen im Zuge der Hubäcker - Erschließung bebaut werden sollte, bezog man im Jahr 1968 die jetzige große Anlage an der Waldstraße.

Gleich daneben residiert mit dem FV 08 der älteste Fußballverein unserer Stadt. Die Mitglieder mussten seither acht Mal den Platz wechseln, um kicken zu können. Seit 1965 steht mit der modernen Anlage im vorderen Hardtwald ein Domizil zur Verfügung, das sicher noch sehr lange Standort des Vereins bleiben wird.

Die DJK Hockenheim bestand ab dem Jahr 1922 bis 1935 und wurde 1954 wieder gegründet. Seine schöne Sportanlage am Rande des Birkengrunds wird rege und erfolgreich genutzt.

Der zweite Hockenheimer Sportclub mit Schwerpunkt Fußball - der VfL - wurde 1946 gegründet und nutzt seit 1966 eine umfangreiche Anlage, die den Abschluss des umfangreichen Sportareals an der Waldstraße bildet.

Besonders erwähnenswert ist die großzügige Anlage des 1932 gegründeten Sportfliegerclubs in der "Auchtweid" mit Flugplatz, Tower, Hallen, Werkstatt sowie Gaststätte mit Hotelbetrieb. Die ersten Starts fanden in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts vom Hochgestade zwischen "Torfloch" und "Dreckloch" aus statt.

Auch später gegründete Sportvereine, wie z.B. der Tennisclub im Gartenschau-Park schufen schöne und moderne Sportanlagen mit allem "drum und dran"

Daneben gibt es über die ganze Hockenheimer Gemarkung verstreut die unterschiedlichsten, meist gut gepflegten Anlagen verschiedenster Vereine und Interessengruppen.

Noch bis in die 1960er Jahre lernten die meisten Hockenheimer Kinder das Schwimmen in der früheren Pferdetränke unterhalb der Oberen/Mittleren Mühle (Mädchen) oder am Ortsrand an der "Schließ" (Buben). Seit dem Jahr 1961 ist das anders geworden, denn mit der Einweihung des Freibades entstanden echte Schwimmsport-Möglichkeiten, einschließlich Turmspringens.

Das in unmittelbarer Nachbarschaft in den Jahren 1976/77 erbaute und 1982 erweiterte "Aquadrom", dem mehrer Saunen und ein Bistro angeschlossen sind, war die Krönung dieser Entwicklung. Es ist immer noch ein "Renner" für die ganze Region, musste jedoch so manchen früheren Besucher abgeben an die im Lauf der Jahre im Umfeld entstandene Konkurrenz. Beide Einrichtungen entstanden im breiten, alten Bett des Kraichbach.

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17. Plätze

Hockenheim war keine Marktgemeinde, weshalb auch kein Marktplatz gebraucht wurde. Einzelne Viehmärkte wurden auf der Hauptstraße durchgeführt. Bedarf nach einem großen öffentlichen Platz entstand erst, als die Beschicker der jährlichen "Kerwe" immer größere "Reitschulen" und Buden aller Art aufbauen wollten und sogar Zirkusunternehmen im Rathaus anklopften.

Der vordere Teil der früheren Bleiche war immer noch ein ziemlich nasses Gelände und konnte ab etwa 1912 die Funktion als "Messplatz" jahrzehntelang nur eingeschränkt erfüllen. Erst als das Gelände in den dreißiger Jahren als Aufmarschgelände der Nazi-Gruppierungen eine Art politische Funktion erhalten hatte, wurde Geld locker gemacht, um das Geviert im Jahr 1938 innerhalb einer bereits bestehenden Platanen-Allee zu schottern.

Mit der starken Ausweitung des Freizeitangebots, verbunden mit zunehmender Reisefreudigkeit der Bürger verlor die früher alles überragende Kerwe an Bedeutung. Auch Zirkusse fanden im Ort ander-weitig Platz und so bot sich der Messplatz an für den Bau einer großen Schule, die im Jahr 1972 auf dem südwestlichen Teil als "Gauß-Gymnasium" eröffnet wurde. Bei dieser Gelegenheit ver-schwanden dort die letzten Reste der Gräben, die früher der Be- und Entwässerung dienten samt Fanfarenzugheim/Geflügelzuchtbetrieb und Schlittschuh-Platz. Der restliche Messplatz erhielt einen Bitumenbelag und dient seither als dringend benötigter innerstädtischer Parkplatz. Leidtragende waren hauptsächlich die Störche, welche früher die nahe ihrem Nest gelegenen Wiesen sehr geschätzt hatten.

Bemerkenswert ist, dass mit dem Gymnasium - abgesehen von den Mühlen - erstmals in der Hocken-heimer Baugeschichte ein großes Gebäude in das alte, breite Bachbett gestellt wurde. Es ist damit so lange anfällig für ein "Jahrhundert - Hochwasser", bis das geplante Umgestaltungsvorhaben für die Kraich abgeschlossen ist.

Da der alte Messplatz umfunktioniert worden war, wurde ein neuer zentraler Platz für die Abhaltung des Wochenmarktes und andere Veranstaltungen zur Notwendigkeit. Er entstand ab dem Jahr 1991 unterer der Bezeichnung "Marktplatz" nahe der neuen Stadthalle, indem der Durchgangsverkehr auf der Rathausstraße zwischen ev. Stadtkirche und Pestalozzischule gesperrt und das Gelände umgestaltet wurde. Der kleine, ruhig gelegene "Karl-Benz-Platz" wird von der Kirche der Methodisten dominiert, hat einen Kinderspielplatz und Parkplätze für die Anwohner.

Nicht viel größer ist der ab 2006 zwischen Schwetzinger- und Hirschstraße entstandene "Mooresville - Platz", wo neben einem Parkplatz demonstriert wird, wie eine innerstädtische, verdichtete Wohnbebauung aussehen kann.

Ein weiterer zentraler Platz ist im Jahr 2010 rund um die "Zehntscheune" entstanden, die ziemlich genau dorthin versetzt wurde, wo einst die erste Hütte des Stadtgründers Hoggo gestanden haben dürfte. Dieses Gelände hat vom Standort her die Chance, von den Hockenheimern als gefühlter Ortsmittelpunkt und "gute Stube" angenommen zu werden unter der Voraussetzung, dass Anziehungspunkte im und um das Gebäude entstehen, die Flair und Leben auf den Platz bringen.

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18. Bauliche Entwicklung nach dem 2. Weltkriegs

In rein baulicher Hinsicht ist Hockenheim im letzten Weltkrieg glimpflich davon gekommen. Es kam glücklicher Weise nur zu zwei kurzen Bombardierungen durch Flugzeuge. Im Jahr 1940 traf es Gebäude im Bereich Kollmer-/Jahnstraße, im Jahr 1945 Heidelberger-/Jahnstraße. Infolge Artillerie-beschusses wurden kurz vor Kriegsende mehrere Gebäude zwar schwer getroffen, jedoch nicht völlig zerstört. Durch Sprengung traf dieses Schicksal jedoch die Überführungsbrücke über die Rhein-talbahn, die erst zehn Jahre später durch einen Neubau ersetzt werden konnte.

Mit der Einführung der D-Mark im Jahr 1948 und den Wirtschaftsreformen von Ludwig Erhard begann ein wirtschaftlicher Aufstieg, der bald auch auf das Hockenheimer Baugeschehen ausstrahlte. Zunächst galt es, möglichst viel neuen Wohnraum zu schaffen, um insbesondere die nahezu 2000 Vertriebenen unter zu bringen, die nach dem Kriegsende hier ansässig geworden waren.

Ab 1950 wurden die großen Wohnblocks an der Hans-Böckler-Straße und der Breslauer Straße fertig, dann ein Projekt neben dem Wasserturm, auch in der Karlstraße und in der Ziegelstraße wurde gebaut. Mitte der 50er Jahre begann eine fast explosionsartige Ausdehnung des Ortsetters. Ent-scheidend hierfür waren neben den Neubürgern der Wunsch von Alteingesessenen nach mehr bzw. modernem Wohnraum, das Bestreben vieler Großstädter "auf´s Land" zu ziehen und das zunehmende Arbeitsplatzangebot in Hockenheim.

Um den alten Stadtkern legten sich seither wie Zwiebelringe immer neue Baugebiete wie Wasserturm-allee, Birkengrund, Hubäcker, Neugärten, Biblis u.a. Deren Charakter ist sehr unterschiedlich und wird hinsichtlich der Bebauung und verkehrsmäßigen Erschließung in den meisten Fällen von der Be-völkerung positiv beurteilt.

Tausende neuer Wohnungen aller Art entstanden. Besonders prägend sind seither in einigen Stadt-teilen viele weitgehend industriell vorgefertigte Hochhäuser mit Eigentums- oder Mietwohnungen, großenteils erstellt von regionalen Bauträgern. Aber auch Reihenhäuser unterschiedlichster Konzeption, Mehrfamilienhäuser und Einfamilienhäuser mit oft eigenwilligem Charakter entstanden.

Besonders erwähnenswert ist der Stadtteil "Birkengrund", wo ein großer Bestand einheitlich ver-klinkerter Reihenhäuser seit den 60er Jahren einen besonders geschlossenen Eindruck hinterlassen. Dort entstand auch das erste Hochhaus Hockenheims.

Ungewöhnlich für eine Stadt unserer Größenordnung ist auch eine Häusergruppe mit fast 200 Wohnungen, die eine Versicherungsgesellschaft im Jahr 1969 fertig stellte. Sie bildete den Auftakt zur großflächigen und sehr unterschiedlichen Bebauung des Gewannes "Hubäcker".

Neben dem Hofweg war ursprünglich der Tiefe Weg der wichtigste Zugang der Hockenheimer zum Rhein-Tiefgestade. Seine Fortsetzung dort war der "Altwingertweg". An dessen Südhang, wo bis etwa 1645 Weinberge lagen, entstanden schon vor Beginn des letzten Weltkrieges erste Wohnhäuser sowie ein gewerblichen Objekt (Fa. Graubremse), gefolgt von einer Kiesgrube. Schon der Bau der Umgehungsstraße in den Dreißigern hatte diesen uralten Zugang erschwert, doch im Zuge des Baus der Schnellbahntrasse wurde Anfang der 80er Jahre die Verbindung ganz gekappt. Nahebei ist als Überweg für Fußgänger und Radfahrer der "Schneckennudelsteg" entstanden.

Nach etwa einem Kilometer geht der Altwingertweg über in die Straße "Hinter den Bergen". Die ruhige und landschaftlich schöne Lage bewirkte, dass die dortigen Grundstücke entlang der nördlichen Straßenseite ab 1960 zu gesuchten Bauplätzen für Einfamilienhäuser wurden. Am Beginn dieser Straße entstanden Gebäude des Sportfliegerclubs. Die Baulücken Richtung Stadtrand wurden im Laufe der Jahre durch ein Hochhaus, Reihenhäuser, mehrere Handwerks- und Gewerbebetriebe sowie Vereinsgelände geschlossen.

In der Innenstadt waren in baulicher Hinsicht besonders prägend diverse Eingriffe in die alte Bau-substanz mit umfangreichem Abriss alter Bauten zwecks Erweiterung des Rathauses, Schaffung angrenzenden Parkplätze, Bau der großen Stadthalle mit Tiefgarage im Jahr 1991, eines Hotels und Gestaltung des neuen Marktplatzes.

Die Bemühungen für eine verdichtete innerstädtische Wohnbebauung zeigen erste Wirkung und werden das Stadtbild weiter verändern. Die Schaffung von Neubaugebiete wurde gestoppt, um die weitere Zersiedlung der Landschaft aufzuhalten. Dass dies dringend erforderlich ist, wird daran deutlich, dass sich die überbaute Fläche unserer Stadt unter Einbeziehung der Gewerbegebiete seit 1945 fast verfünffacht hat!

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19. Das Gewerbegebiet „Talhaus“

Von ganz besonderer Bedeutung für die Entwicklung Hockenheims nach dem 2. Weltkrieg war die planmäßige Schaffung eines Geländes, welches für ansiedlungswillige Firmen so attraktiv wie möglich sein sollte. Erste Überlegungen für ein Gelände zur Ansiedlung örtlicher Handwerks- und Gewerbe-betriebe "im Talhaus" stammten schon aus dem Jahr 1925. Die bald danach beginnende Weltwirt-schaftskrise und der 2. Weltkrieg verhinderten jedoch die Verwirklichung.

Erst ab 1955 konnte mit der systematischen Planung und Realisierung begonnen werden, wobei zunächst an die Schaffung eines reinen Industriestandortes gedacht war. Davon versprach man sich besonders viele Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Bürgermeister und Stadtparlament zogen an einem Strang, reagierten schnell auf die vorhandene Nachfrage, sicherten sich rechtzeitig den vom Abbruch bedrohten Schienenstrang zur Rheintalbahn (früher Teil der "Eselsbahn") und so gelang binnen weniger Jahre die Ansiedlung mehrerer großer und mittlerer auswärtiger Produktionsbetriebe, denen bald erste Handelsunternehmen folgten.

Ein Großteil dieser Firmen aus den Anfangsjahren existiert heute aus verschiedenen Gründen nicht mehr und es zeugt von der Attraktivität des Standorts und der Flexibilität vieler Beteiligter, dass die meisten frei gewordenen Grundstücke und Gebäude relativ rasch neue Nutzer fanden, die meist aus Handel und Dienstleistung kommen. Deren Anteil am Gesamtgelände wächst überdies durch neue Bauten immer mehr an. Umfangreiche weitere Siedlungsflächen wurden von der Stadt vorsorglich erschlossen und finden sukzessive Nutzer.

Das Talhaus-Gebiet hat den Charakter Hockenheims gravierend verändert. Aus dem früheren Bauern- und Arbeiterstädtchen wurde ein weit über die Region hinaus bekannter Gewerbestandort, auf dem sich ganz im Sinne der ursprünglichen Zielsetzung auch viele alteingesessene Betriebe angesiedelt haben. Tausende neue Arbeitplätze wurden geschaffen, die Auspendler- wurde zur Einpendlerstadt. Nicht nur Berufstätige, sondern auch der typische private Verbraucher kommt aus der ganzen Region hierher.

Dem Haushalt der Stadt hat die Weichenstellung Mitte der 50er Jahre meist sehr gut getan und damit letztlich auch allen Bürgern.

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Blick in die bauliche Zukunft (nicht nur) unserer Stadt

Ein Schlitzohr hat gesagt " Prognosen sind schwer, besonders weil sie die Zukunft betreffen". Trotzdem seien einige Voraussagen für Hockenheim gewagt:

  • die Flächenexpansion für Wohnbebauung wird nicht mehr durchsetzbar sein.
  • das wird zunehmend auch für gewerbliche Nutzung gelten.
  • Neubauten werden seltener. Sie entstehen auf Baulücken im Ortsetter oder im Rahmen innerstädtischer Bebauungsverdichtung.
  • Leerstände alter, insbesondere lärmbelasteter Häuser nehmen zu; durch Abriss entstehen oft dauerhaft Baulücken.
  • die in den letzten Jahrzehnten aufgebauten großen Leitungsnetze aller Art bedingen steigenden Erneuerungsbedarf mit entsprechenden finanziellen Auswirkungen auf öffentliche und private Haushalte.
  • Ähnliches gilt für den Umstieg auf erneuerbare Energien sowie Energiesparmaßnahmen.
  • die Lärmbelästigung wird überdurchschnittlich bleiben.

Zusammenfassend: Wohnen wird künftig noch schöner, aber auch merklich teurer.

Verfasser: Horst Eichhorn, Hockenheim, Stand September 2010



gestützt hauptsächlich auf folgende Quellen:
Veröffentlichungen von Ernst Brauch, Dr. Kurt Buchter, Dokumentation zur 1200-Jahr-Feier im Jahr 1969 mündliche Auskünfte diverser Hockenheimer, insbesondere von Hildegard Fitterling, Bernhard Fuchs, Volker Grein, Alfred Rupp, Gustav Schrank u.a

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