Karlsruher Str. 11
Untersuchungen zum Anwesen Karlsruher Str. 11 (früher „Hotel Friedrichsbad“)
Im Jahr 1898 erwarb der Immobilienmakler Abraham Gund III, Bauunternehmer und Tünchermeister in Hockenheim, das Gelände von 5,98 ar, welches westlich an den Zusammenfluss von Kraichbach und Mühlkanal grenzt. Auch die alte Brücke über das wiedervereinigte Gewässer liegt gleich nebenan. Der neue Eigentümer ließ das Anwesen, auf welchem vorher allenfalls eine kleine Holzhütte stand, mit einem ansehnlichen Haus bebauen.
Die Baupläne zeichnete der Architekt Ritzhaupt im Baustil des Historismus, also mit kleinen Türmchen und Gauben sowie einem ansehnlichen Eck-Erker. Besonders bemerkenswert ist, dass das Haus auf einer Pfahlgründung aus Eichenstämmen steht, die in den Baugrund getrieben wurden, bis eine ausreichend tragfähige Boden- oder Gesteinsschicht erreicht war (= Venedig in Hockenheim). Diese aufwändige Gründung war notwendig, weil das Gelände früher zum Sumpfbereich entlang der Kraich gehörte und führte auch dazu, dass die Räume im Erdgeschoss nicht ebenerdig erreichbar sind, sondern zunächst fünf Treppenstufen erklommen werden müssen .
Aus dem dadurch von außen teilweise sichtbaren Sockel des Hauses zu schließen, bestehen zumindest die Fundament – Mauern im Keller aus rotem Sandstein. Der Hauptteil der Außenmauern und alle Innenmauern sind aus Backsteinen errichtet, außen etwa alle zwei Meter unterbrochen durch waagerechte, leicht vorstehende und etwa 20 cm breite Bänder aus hellem Sandstein. Auch die Fenster- und Außentür-Umrandungen bestehen aus diesem Material, jeweils gekrönt von aus dem Stein gehauenen Wappen-Andeutungen. Der erwähnte Erker hat ein Gerüst aus Holzbalken, vermauert mit verputzen Backsteinen.
Im Nebengebäude wurde eine Wannenbadeanstalt eingerichtet, wo sich die Hotelgäste sowie Bürger, welche seinerzeit fast alle in ihren Wohnungen noch keine Bäder hatten, für wenig Geld gründlich reinigen konnten. Anschließend gingen viele in die gemütliche Weinstube im Erdgeschoss, um sich auch innerlich zu wärmen. Im ersten Obergeschoss waren Hotelzimmer eingerichtet, während sich die Wohnung des Objekteigentümers hinter den Gauben des Dachgeschosses befand. Wohl zu Ehren des Großherzogs Friedrich I. von Baden, der 1895 Hockenheim zur Stadt erhoben hatte, gab Abraham Gund seinem Gasthaus mit Herbergsbetrieb und Badegelegenheit den Namen Hotel Friedrichsbad.
Bereits zwei Jahre später, nach Fertigstellung des Gebäudes, verkaufte der Erbauer Abraham Gund das Objekt an den früheren Landwirt und künftigen Gastwirt Theodor Uhlin und dessen Ehefrau Wilhelmina geb. Sattelmeier aus Hockenheim. Nächster Eigentümer wurde im Jahre 1917 der Gastwirt Friedrich Scheck. Ihm folgten im Jahre 1938 der Metzger und Wirt Karl Hoffmann und dessen Frau Frieda.
Das „Friedrichsbad“ gehörte immer zu den besten Hotel-Adressen am Ort. Ein großer Biergarten an der Kraich lud zum gemütlichen Verweilen ein, wären da nicht die Schnaken gewesen, welche die Gäste zum Fressen gern hatten. An schwülen Abenden konnten die Einkehrenden sich ihrer kaum erwehren. Neben der Gaststätte betrieben Karl Hoffmann und seine Frau Frieda auch noch eine Metzgerei, wo jeden Dienstag Schlachttag war. Wenn der Metzgermeister die heißen Siedewürste aus dem dampfenden Kesselsud schöpfte, lief einem das Wasser im Mund zusammen. Nachmittags hingen die Würste an blanken Stahlhaken in dem kleinen Metzgerladen. Wenn fünf Kunden drinnen standen, bekam man Platzangst. „Was darf es denn sein?“, fragte die Verkäuferin freundlich. „Zwòò Pärle Siedwärscht, ä halb värdel Uffschnitt, dreihunnerd Gramm Blechstick un drei odder vier Suppegnoche“. Damit war die Woche gerettet! Mehr Fleisch und Wurst benötigten die Menschen um 1960 nicht. Die Siedewürste und vor allem die Jagdwurst, waren das Aushängeschild des Hauses.
Im Jahre 1983 übernahm die Eigentümergemeinschaft aus Anna Adelsberger, Renate Jung, Kurt Adelsberger und Hartmut Stieler das Friedrichsbad-Anwesen; infolge ihres Ablebens ist die Erstgenannte im Jahr 2004 ausgeschieden.Sofort nach dem Kauf begann die Planung für die grundlegende Sanierung, den Umbau und die Erweiterung durch einen großen Anbau. Die Arbeiten selbst begannen im Jahr 1985 mit dem Abriss des in südlicher Richtung gelegenen kleinen Schlachthauses. Anschließend wurden die eigentlichen Bauarbeiten durchgeführt. Die Gefahr, dass der massige Neubau das schöne, alte „Friedrichsbad“ optisch erschlägt wurde gebannt, indem zwischen beide Gebäude ein Treppenaufgang samt Aufzug gesetzt wurde, der wegen seiner Glas-Fassade recht filigran wirkt.
Das neue Gebäude gründet selbstverständlich nicht auf Eichenbohlen, sondern auf einer 55 cm dicken Betonplatte. Da das Gelände zum nahen Meßplatz abfällt, konnte eine Tiefgarage gebaut werden. Darauf ist Platz für drei Ladenlokalen, welche auf gleicher Ebene liegen wie das Erdgeschoss im Altbau.Sie sind leicht erreichbar durch einen überdachten Fußweg von der Karlsruher Straße her und eine Treppe aus Richtung Meßplatz. Die drei Obergeschosse beherbergen Räumlichkeiten für zwei Arztpraxen und drei Wohnungen.
Zudem entstand auf einem Teil des früheren Biergartens ein nicht sehr großes, einstöckiges Gebäude, welches seither an gewerbliche Nutzer aus verschiedenen Branchen verpachtet war. Dieser Geländeteil zwischen Bach und Gebäude, wird von den umfassenden Hochwasserschutz- und Renaturierungsarbeiten berührt werden, welche ab dem Jahr 2016 durchgeführt werden sollen. Möglicherweise wird das den Standort des vorerwähnten Nebengebäudes wieder attraktiver machen.
Das alte „Friedrichsbad“-Gebäude selbst beherbergt jetzt eine Gaststätte im Untergeschoss, eine Apotheke und ein Cafe im Erdgeschoss, während im 1. Obergeschoss eine Arztpraxis untergebracht ist. Die restlichen Räume sind als Wohnungen vermietet.
Verfasser: Felicitas Offenloch-Brandenburger, Klaus Brandenburger und Horst Eichhorn
Stand Juni 2015